Mülfort Die gute alte Heimat

Mülfort · In Mülfort steht kein Bahnhof mehr, der Baggersee ist längst zugeschüttet, und auch die Anzahl der Vereine hält sich in Grenzen. Doch Institutionen wie die Schützen der St. Paulus-Bruderschaft und die Interessengemeinschaft Mülfort-Dohr halten den Stadtteil am Leben.

Mülfort Ein belebter Marktplatz mit Tante-Emma-Laden, Gemüsehändler und echtem Milchgeschäft, zu dem er als kleiner Junge noch mit einer alten Kanne ging. Die Traditionsgaststätte Coenen, in der er den Walzerschritt lernte. Ein eigener Bahnhof, an dem die Leute aus Geilenkirchen ausstiegen, um in der hiesigen Textil-Metropole zu arbeiten und nach dem Dienst gegenüber in der Kneipe "Et Rondell" noch ein Bierchen nahmen. Und der Baggersee, an dem er mit seinen Freunden baden konnte.

Römerbrunnen brachte Einschnitte

All das verbindet Hans-Dieter Möller mit seiner Heimat Mülfort, aus der er nie weggezogen ist, auch nie wegziehen wollte. Auch wenn der langjährige Präsident der St. Paulus-Bruderschaft heute sagt: "Die Wurzeln sind uns geblieben, doch Mülfort ist kein Dorf mehr. Dem Ort ist fast alles genommen worden, er hat keine gewachsene Struktur mehr."

Einen Lebensmittelladen gibt es nicht mehr, Coenen hat seinen Restaurantbetrieb eingestellt, der Mülforter Bahnhof wurde vor Jahren abgerissen, und auf dem Gelände des früheren Baggersees steht heute der Römerbrunnen. So lebt die gute alte Heimat der Mülforter vor allem in der Bruderschaft weiter, wo Möller mit seinen Freunden schon seit Jahrzehnten im Vorstand tätig ist. "Wir sind eine kleine, starke, aber auch überalterte Bruderschaft", sagt Möller.

Zudem sind seine Schützen heimatlos und würden gerne ein Vereinshaus errichten. So krönt die St. Paulus-Bruderschaft derzeit seine Könige im Bürgerzentrum (BüZ) Römerbrunnen. 30 Jahre lang war Tony Trapp in der Hochhaussiedlung als Sozialarbeiter tätig. "Der Römerbrunnen hat sicher große Einschnitte für Mülfort gebracht und Berühmtheit erlangt", sagt 62-Jährige. Was zunächst als schicke, moderne Wohngegend galt, entpuppte sich schnell als sozialer Brennpunkt mit hohem Ausländeranteil. Doch Trapp kämpfte stets darum, den Römerbrunnen, der jetzt Carolina-Park heißt, in den Stadtteil Mülfort zu integrieren.

Heute ist das 1997 errichtete BüZ jedes Wochenende mit Veranstaltungen ausgebucht, viele Vereine und Jugendliche nutzen die Einrichtung. Zudem werden jährlich mehrere Feste durch die Interessen-Gemeinschaft Mülfort-Dohr organisiert. Trapp war der Initiator der IG, da "es in Mülfort kaum Vereine und daher keine sozialen Anknüpfungspunkte, keine Gemeinschaft gab". Er suchte den Kontakt zu Mülforter Institutionen und nahm auch die bereits besser organisierten Dohrer jenseits der Brückenstraße mit ins Boot. "Ich hatte das Gefühl, dass alle nur auf diese Initiative gewartet haben", erinnert sich Trapp, der auch immer einen engen Kontakt zu den vielen Schulen im Viertel hatte.

Den Jugendlichen bleibt neben dem BüZ noch das städtische Jugendheim, das katholische Jugendheim ist stillgelegt. "Es fehlt der Jugend an Anlaufstellen", sagt auch Möller, der selbst im Kirchenvorstand der Pfarre St. Paul ist. Das Bemühen um den Nachwuchs wird auch für die Bruderschaft, deren viertägiges Schützenfest Anfang Oktober mit seiner "Aprés Ski Party" zu den Jahreshöhepunkten zählt, immer wichtiger. Denn wenn Möller, der mit 27 Jahren der jüngste Präsident des Bezirks wurde, und seine langjährigen Mitstreiter einmal ausscheiden werden, soll die Bruderschaft weiter eine starke Gemeinschaft bilden. Damit auch ein Stück der guten alten Heimat in Mülfort weiter lebt.

(RP)
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