Mönchengladbach Der Therapeut mit der kalten Schnauze

Mönchengladbach · Ate vom Phoenixhügel ist eine neue Spitzenkraft der Kliniken Maria Hilf. Auf diesen Namen hört sie allerdings nicht. Die Patienten, Ärzte und Therapeuten nennen sie nur Lilly. Der Labrador-Retriever ist Therapiehund im Krankenhaus.

 Die Neurologin Jasmin Djawaheri-Eisenach (oben) bildet Lilly aus. In Kürze macht die Hündin ihre Prüfung. Die Erfolge sind sichtbar. Der Patient, der sie auf dem rechten Foto mit Leckerli verwöhnt, war lange bettlägerig. Auch dank Lillys Hilfe steht er inzwischen wieder frei.

Die Neurologin Jasmin Djawaheri-Eisenach (oben) bildet Lilly aus. In Kürze macht die Hündin ihre Prüfung. Die Erfolge sind sichtbar. Der Patient, der sie auf dem rechten Foto mit Leckerli verwöhnt, war lange bettlägerig. Auch dank Lillys Hilfe steht er inzwischen wieder frei.

Foto: Jessica Schulz/Maria Hilf

Sie hat sanfte Augen. Wenn sie die Vorbeikommenden anschaut, lächeln die meisten sofort. Sie widerspricht nicht, erfüllt treu und brav ihre Aufgaben. Und sie arbeitet gewissenhaft, ist auf dem besten Wege, eine sehr gut ausgebildete Krankenhaus-Fachkraft zu werden. Ate vom Phoenixhügel, allgemein Lilly genannt, hat die geriatrische Abteilung der Kliniken Maria Hilf im Sturm erobert. Chefarzt Carl-Albrecht Haensch will nicht mehr auf sie verzichten, die Ärzte und Pflegekräfte mögen sie - und bei mehreren Patienten sind die Therapieerfolge in der kurzen Zeit ihres Wirkens bereits bemerkenswert. Mit anderen Worten: Maria Hilf hat sich eine Spitzenkraft geangelt.

Diese ist ein sieben Jahre alter Labrador-Retriever. Mit Jasmin Djawaheri-Eisenach bildet die Hündin ein untrennbares Duo. Das Tier hört aufs Wort, wenn ihre Halterin die Kommandos gibt. Die Neurologin setzt die tiergestützte Therapie gezielt ein, vor allem bei Patienten, die sich in sich selbst zurückgezogen haben und eine Ansprache auf einer anderen Ebene benötigen - wenn Worte alleine nicht reichen, öffnet oft eine emotionale "Ansprache" die Herzen. Diesen Kontakt stellt die folgsame Lilly her. Und sie muss nicht verbalisieren, sondern agiert mit ihren sanften, dunklen Augen und ihrem freundlichen Wesen.

"Ich hole einen Patienten. An ihm können Sie sehen, wie gut das funktioniert", sagt die Ärztin Djawaheri-Eisenach und kommt mit einem älteren Herrn zurück, der sich noch unsicher an einem Rollator bewegt. "Er hat noch vor kurzem nur im Bett gelegen. Wir haben ihn auch dank des Hundes aktivieren können", erzählt sie und reicht ihm die Hundeleine. Rechts Lilly, links als mögliche Stütze die Ärztin - so bewegt sich der Patient am Rollator über den Krankenhausflur. Am Ende der Übung darf er dem Hund ein Leckerli geben: Dafür lässt er die Rollatorgriffe los und dreht sich leicht in der Hüfte. "Daran war vor kurzem gar nicht zu denken", raunt die Neurologin dem Chefarzt zu.

 Das ist Lillys Einsatzgebiet: Der Labrador-Retriever aktiviert auf dem Krankenhausflur Patienten und hilft ihnen zum Beispiel beim Gehen.

Das ist Lillys Einsatzgebiet: Der Labrador-Retriever aktiviert auf dem Krankenhausflur Patienten und hilft ihnen zum Beispiel beim Gehen.

Foto: Jessica Schulz/Maria Hilf

Professor Haensch, privat kein bekennender Hundenarr, weiß um die bemerkenswerten Erfolge, die Lilly feiert. Und stützt sie. "Es ist immer gut, wenn wir über den Tellerrand blicken und andere Wege gehen, um einen anderen Zugang zu den Patienten zu finden", sagt er. Man könnte auch sagen: Wenn Ärzte, Pflegekräfte, Logopäden und Ergotherapeuten auf der rationalen Ebene bei einem Patienten nicht weiterkommen, kommt Lillys Einsatz: Sie soll dann versuchen, die emotionalen Blockaden zu lösen. Dafür wird sie ausgebildet. Dass dies in den Kliniken Maria Hilf möglich ist, dafür sorgt neben der Halterin auch der Förderverein. Noch wichtiger ist aber, dass die Klinikleitung den Weg bewusst mitgeht und die tiergestützte Therapie gezielt einsetzt. "Das ist in Krankenhäusern selten. Auch, weil die Auflagen hoch sind", sagt Chefarzt Haensch.

Die Ärztin Jasmin Djawaheri-Eisenach geht Sonderwege, wenn sie mit Lilly das Krankenhaus betritt und zur Station geht. Die Hündin muss frei von Parasiten, immer sauber sein und darf sich zum Beispiel Menschen nicht nähern, die offene Wunden haben. Krankenzimmer sind ein Tabu - der Einsatz findet weitgehend auf Fluren statt. Diese strengen Auflagen sind das eine, sie sind umsetzbar. Aber Therapiehunde müssen auch charakterlich für die Aufgabe geeignet sein: "Lilly ist devot, reagiert nie hektisch. Sie apportiert gerne - aber nur nach Aufforderung. Und sie jagt nicht und ist schusssicher", sagt Halterin Djawaheri-Eisenach. Alles andere lernt sie in der Hundeschule "TherDog". Die Ausbildung ist zertifiziert, und wenn die Ärztin sie abschließt, ist das für Lilly eine Art Diplom-Arbeit.

Bereits vor ihrer Prüfung kann Lilly auf Erfolge verweisen, die eine Therapeutenhund-Vita schmücken kann. Derzeit hilft sie einer Patientin, die eine Gesichtslähmung hat und undeutlich spricht, wieder sauber zu artikulieren. Wenn sich die Kranke mit Ärzten und Pflegekräften unterhält, dann tut sie das in dem Bewusstsein, dass diese sie irgendwie verstehen. Nuscheln aber hilft bei einem Hund nicht: Lilly braucht klar ausgesprochene Kommandos. Und sie motiviert die Patientin, ihr diese zu geben. Der Erfolg ist da - mit einer weiteren positiven Nebenwirkung. Als Belohnung für den Einsatz gibt's eine Möhrenscheibe, die die Kranke mit einer Pinzette der Hündin auf die Pfote legt. Das Tier hat sein Leckerli, und die in ihrer Motorik geschwächte Patientin wendet den Pinzettengriff an, stärkt damit die Muskulatur und übt die Koordination. Für Lilly ist es ein Spiel - für die Patientin ein großer Schritt zurück ins Leben.

(biber)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort