Interview zur Messe "MG zieht an" Der Textilstandort ist demnächst unschlagbar

Mönchengladbach · Die Nachwuchsmesse geht nächste Woche in ihre zehnte Runde. Zahlreiche Beteiligte trafen sich im Monforts-Quartier zur Gesprächsrunde.

 In der historischen Farbstoffsammlung im Textiltechnikum des Monforts-Quartiers trafen sich die Gesprächsteilnehmer zur Diskussionsrunde. Eingeladen hatten Wirtschaftsförderung und Rheinische Post.

In der historischen Farbstoffsammlung im Textiltechnikum des Monforts-Quartiers trafen sich die Gesprächsteilnehmer zur Diskussionsrunde. Eingeladen hatten Wirtschaftsförderung und Rheinische Post.

Foto: Ilgner Detlef

Das zehnte Mal ist etwas Besonderes. Am 18. und 19. Mai feiert die textile Nachwuchsmesse "MG zieht an — Go textile!" runden Geburtstag, längst ist sie zur größten Recruitingmesse im deutschsprachigen Raum für die Textil- und Bekleidungsbranche avanciert. Grund genug für Wirtschaftsförderung und Rheinische Post, zahlreiche Akteure für ein gemeinsames Gespräch über Sinn und Zweck der Veranstaltung sowie die textile Zukunft des ehemaligen "Rheinischen Manchester" zu versammeln. Und welcher Ort könnte dafür besser geeignet sein als das Monforts-Quartier mit seinem einzigartigen Textilmaschinendepot?

Herr Heinrichs, Ihr Unternehmen ist, wie einige andere der Gesprächsteilnehmer, bei "MG zieht an" ein Aussteller der ersten Stunde. Warum sind Sie immer dabei geblieben?

Klaus A. Heinrichs Als Maschinenbauer sind wir da in der Tat etwas in einer Außenseiterrolle. Für uns ist es ein Muss, uns aktiv um guten Nachwuchs zu bemühen; den gibt es zwar hier in Mönchengladbach, aber er klopft nicht von selbst bei uns an die Tür. Wir haben viele Mitarbeiter, die an der Hochschule Niederrhein ausgebildet wurden, und da ist die Messe eine gute Kontaktbörse.

Holger Röver Ich muss sagen, dass wir am Anfang unterschätzt haben, was diese Messe leisten kann. Ich weiß in drei Fällen von Mitarbeitern, die über den Kontakt dort zu uns gekommen sind. Anfangs hatten wir "MG zieht an" etwas stiefmütterlich behandelt — wir mussten erst lernen, dass es darum geht, einen lebendigen Eindruck des Betriebs zu vermitteln. Wie bringt man in dem Format den Geist richtig rüber? Etwa, indem man dort junge, motivierte Mitarbeiter das Unternehmen vertreten lässt, die ihn verkörpern.

Amadeus Heinzel Ich habe selber an der Hochschule studiert und immer mitbekommen, wie offenherzig und interessiert die Studenten über diese Messe gehen. Der Messestand als Eyecatcher ist dabei das A & O. Ein Stehpult mit weißer Rückwand tut's da heute nicht mehr.

Rolf A. Königs "MG zieht an" hat in der Tat mal mit ein paar Buden angefangen. Heute ist es ja eigentlich keine richtige Messe, sondern hat Workshop-Charakter — und das ist genau das richtige Format dafür. Man sollte dort als Unternehmen auch keine Burgen bauen.

Hartmut Wnuck Ich bin bei uns im Haus auch für Personal verantwortlich und kann nur sagen: Es ist immens wichtig, die richtigen Leute zur Messe zu schicken, die wir übrigens von Anfang an unterstützt haben. Es sind nicht unbedingt die Leute aus der Personalabteilung, die die entsprechende Leidenschaft haben. Ich glaube aber auch, dass man den Aufwand nicht übertreiben sollte: Der Auftritt sollte attraktiv, mit einem guten optischen Stopper versehen — aber in erster Linie dialogorientiert sein.

Colours & Sons ist ein sehr junges Unternehmen, ist auch Neuling auf der Messe. Wie gehen Sie vor?

Guido Schmitz Wir setzen nicht auf die große Show, eher auf Vier-Augen-Gespräche. Unser Unternehmen wächst, wir brauchen gute Leute, und auf anderen Wegen ist es schwer, an sie heranzukommen. Ich glaube, die Messe ist ein gutes Instrument, um schnell gute potenzielle Mitarbeiter kennenzulernen.

Markus Schmitz Für unser Unternehmen muss ich feststellen, dass uns die Messe bisher keinen konkreten Nutzen gebracht hat — es ist nur einmal ein einziger Praktikumsplatz dabei herausgesprungen. Wir bleiben aber natürlich trotzdem dabei, weil "MG zieht an" den Geist aufgreift, das textile Biotop in Mönchengladbach wiederbelebt zu haben. Ich muss also konstatieren: Wir haben das Publikum von Anfang an nicht wirklich erreicht, sind aber gerne Mittel zum Zweck, um die Ganzheitlichkeit und die Bandbreite der Branche abzudecken.

Rudolf Voller Aus Sicht der Hochschule ist primärer Zweck der Messe, Unternehmen mit Studierenden und Absolventen zusammenzubringen — auch über Formate wie Matching-Gespräche. In der Tat springen dabei mehr Praktika als Festanstellungen heraus. Man muss aber auch einen Unterschied berücksichtigen: Im Bereich Textil haben die Studierenden am Ende ihres Studiums oft eine konkrete Jobperspektive; Bekleider sind mehr auf die Messe angewiesen, weil die Interessenten hier länger nach Jobs suchen. Deswegen bin ich froh über die Mischung aus beiden Bereichen. Es ist übrigens auch erklärter Wunsch, dass Schüler zur Messe kommen.

Ist das auch der Grund, warum sich die Textilakademie erstmals präsentiert, obwohl sie erst im August 2018 eröffnen wird?

Detlef Braun Die Messe hat sich zu einem absoluten Branchentreff entwickelt — und mit der Textilakademie entsteht auf dem Hochschulcampus ein absoluter Nukleus für Aus- und Weiterbildung, Berufsvorbereitung und Forschung. Wir wollen uns Schülern präsentieren, die nicht oder noch nicht die akademische Ausbildung suchen, aber auch den Studierenden. Und wir suchenden Kontakt zu Unternehmen. Man kann auf der Messe einfach länger und intensiver sprechen — noch herrscht in erster Linie viel "Flurfunk" über die Textilakademie.

Michael van den Dolder Wir glauben in der Tat auch, dass die Textilakademie der nächsten "MG zieht an" in zwei Jahren noch einmal richtig zusätzlichen Schwung geben wird. Für unser Unternehmen muss ich sagen, dass wir die Messe anfangs auch etwas stiefmütterlich behandelten. Mittlerweile haben wir auch Hochschulabsolventen an unserem Stand im Einsatz und nutzen sie gezielt zur Repräsentation — wir sind ein "Hidden Champion", den kaum jemand kennt.

Rudolf Voller Ich bin besonders froh darüber, dass das Pre-Opening bei Trützschler stattfindet. Die Modenschauen legen den Fokus ja eher auf Bekleidung — dadurch wird ein weiterer Fokus auf Textil gelegt. Und man darf nicht vergessen, dass die Hochschule auch noch ganz andere Fachbereiche hat — und beispielsweise auch Maschinenbau-Studenten herzlich eingeladen sind, zur Messe zu kommen.

Holger Röver Der "Erfolg" eines Messeauftritts hat viel mit der Erwartungshaltung zu tun. Unsere Ziele sind Brückenbau, Anbahnung. Mittlerweile schaffen nur ganz wenige Mitarbeiter den Einstieg in unser Unternehmen, ohne vorher ein Praktikum bei uns gemacht zu haben — Praktika sind für diese "Verlobungsphase" einfach ideal. Bei der Messe gute Praktikanten zu finden, werten wir als Erfolg. Wir haben allerdings auch keinerlei Nachwuchsprobleme.

Klaus A. Heinrichs Wir wären schon zufrieden, wenn wir über die Messe einen potenziellen Bewerber kennenlernen würden.

Hans Peter Schlegelmilch Wir können unsere offenen Stellen in der Regel auch gut besetzen, wollen aber natürlich die Besten kriegen. Für uns als kleineres Unternehmen mit der Herausforderung der globalen Aufstellung ist es da besonders wichtig, Zugriff auf die nicht fertigen, nicht zu Ende ausgebildeten jungen Menschen zu haben. Wir suchen Praktikanten in der Regel in den niedrigeren Semestern, entwickeln unsere Leute aus der Studentenschaft heraus. Und, ein ganz wichtiger Aspekt, der noch nicht zur Sprache kam: "MG zieht an" als Messe mit dieser besonderen Differenzierung ist immens wichtig, um eine Arbeitgebermarke aufzubauen.

Was meinen Sie damit?

Hans Peter Schlegelmilch Man muss sich heute stärker als noch vor zehn, 20 Jahren als Marke positionieren, der Trend geht ja in allen Bereichen zur Markenbildung.

Rudolf Voller Die Studierenden informieren sich ja auch intensiv über potenzielle Arbeitgeber. Wie ist es um die unternehmerische Verantwortung bestellt? Ist eine Firma Mitglied im Textilbündnis — und wenn nicht, aus welchen Gründen? Wenn beispielsweise Van Laack ganz frisch Mitglied der Fair-Wear-Foundation geworden ist, ist es wichtig, darauf hinzuweisen.

Amadeus Heinzel Das ist genau das Feedback, das wir uns von der Messe erhoffen: Was brauchen wir als Arbeitgeber, um für potenzielle neue Mitarbeiter attraktiv zu sein?

Hartmut Wnuck Eines der Kernprobleme Mönchengladbachs ist immer noch, dass viele gut ausgebildete junge Leute die Stadt verlassen. Ein Grund dafür ist, dass die Firmen am Standort nicht bekannt genug sind — und dass sie die jungen Leute oftmals zu spät ansprechen.

Tobias Reichardt Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Viele meiner ehemaligen Kommilitonen sind zu Großkonzernen gegangen und stellen später fest, dass sie dort nicht die Jobs bekommen haben, die sie sich versprochen hatten. Und jetzt fragen sie bei uns an, ob wir nicht etwas für sie haben. Große Player in der Branche machen oft sofort einen sexy Eindruck, die kleineren noch zu sehr erst auf den zweiten Blick.

Wie weit strahlt die Messe über Mönchengladbach hinaus?

David Bongartz Extrem weit. Beispielsweise haben wir über unsere neue Digitalinitiative Next MG einen Kontakt zur Telekom herstellen können, die das Projekt "Fashion Fusion" aufgelegt hat und jetzt mit der Hochschule Niederrhein im Bereich Smart Textiles kooperiert. Deswegen wird die Telekom auch bei "MG zieht an" vertreten sein.

Jürgen Steidel Wie man überhaupt sagen muss, dass die Stadt und die Wirtschaftsförderung sich in Bezug auf die Messe sehr reingekniet haben. Das gibt es in dieser Form nicht überall. Man muss wirklich sagen, hier steht das Cluster Textil nicht nur auf einem Blatt Papier, hier wird es proaktiv vorangetrieben.

Rolf A. Königs Wir sind auf jeden Fall auf einem sehr guten Weg, das gesamte Branchenimage — Stichwort "Textile City" — nach vorne zu bringen, gerade auch unter Berücksichtigung der textilen Vergangenheit. Wir sind in diesem wunderschönen Textiltechnikum — ich nenne das lieber Textilfabrik —, bald haben wir die Textilakademie, ebenso das Fraunhofer-Institut. Die Renaissance der Textilindustrie sage ich ja schon länger voraus, und ich lege jetzt noch einen drauf: Mönchengladbach ist demnächst in diesem Bereich unschlagbar. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dass die Unternehmen entsprechend aufschließen.

Ein Interview mit Christian von Daniels, dem Chef und Inhaber des Mönchengladbacher Hemdenherstellers Van Laack, lesen Sie heute im Wirtschaftsteil Ihrer Rheinischen Post.

(tler)
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