Serie Was Macht Eigentlich? Der Schneekönig und seine Ideen

Mönchengladbach · "City-Manager" Lutz Menge hat Mönchengladbach bundesweit in Presse, Funk und Fernsehen gebracht. Ski-Event und Moto-Cross-Rennen auf der Hindenburgstraße lockten von 1998 bis 2003 stets Hundertausende Zuschauer an. Geblieben ist von den Aktionen nur Erinnerung.

 Weiß voll Schnee und schwarz vor Menschen: die Hindenburgstraße beim Ski-Event 2013.

Weiß voll Schnee und schwarz vor Menschen: die Hindenburgstraße beim Ski-Event 2013.

Foto: Detlef Ilgner

Der Vergleich war schon etwas überzogen: Mönchengladbach biete nach den Olympischen Spielen das Wintersport-Event mit der höchsten Besucherzahl, hat mal eine Zeitung geschrieben (es war nicht die Rheinische Post) über das Ski-Event am Niederrhein. Das gab es vier Jahre, 1998 bis 2001. Und es ging bei diesem Vergleich nicht um Sportgucken im Fernsehsessel, sondern um das direkte Erleben an der Piste. Und da bot Mönchengladbach damals etwas Besonderes.

"Wo sonst, außer bei Olympia, gab es Hundertausende Zuschauer bei einem Abfahrtslauf wie auf der Hindenburgstraße?", fragt Lutz Menge, heute 62 Jahre, damals Vorsitzender des Gladbacher City-Management, "Schneekönig" genannt: Er war für Veranstalter Allrounder, Ideengeber und Motor des Ski-Events. 220 Meter lang war die mit 800 Tonnen Kunstschnee belegte Strecke zwischen Wallstraße und dem Vorplatz des ehemaligen Stadttheaters - dort, wo heute das Minto steht.

 Go-Kart-Rennen beim Stadtfest 2003 mit 150.000 Besuchern.

Go-Kart-Rennen beim Stadtfest 2003 mit 150.000 Besuchern.

Foto: Wiechmann

Na gut: Sehr viele der 300.000 Besucher, die für die drei Tage inklusive Aufbau geschätzt wurden, waren keine direkten Fans des Abfahrtlaufs oder des Synchro-Ski-Weltcups, um den 2001 gelaufen wurde. Sie kamen, weil es rundherum soviel zu sehen, zu trinken, zu essen und zu erleben gab. Sogar Deutschlands Ski-Idole Christian Neureuther und Rosi Mittermeier kamen vorbei. Und wer wollte, durfte sich auch mal auf Skier oder Snowboards stellen.

Mönchengladbach war bundesweit im Gespräch, wie es sonst nur Borussia schaffte. ARD, WDR, ZDF, RTL, Sat.1 und Vox zeigten die Bilder von den Abfahrtsrennen am platten Niederrhein, BILD und BUNTE bis hin zur FAZ berichteten. Und der Einzelhandel zog am Ende eine positive Bilanz: Der Umsatz stimmte. Die fünfte Auflage für 2002 war so gut wie beschlossen.

 "Der Schneekönig packt ein", schrieb Nik Ebert im Oktober 2003 über seine Karikatur zum Rücktritt Lutz Menges als Vorsitzender des City-Managements.

"Der Schneekönig packt ein", schrieb Nik Ebert im Oktober 2003 über seine Karikatur zum Rücktritt Lutz Menges als Vorsitzender des City-Managements.

Foto: Nik Ebert

Doch es gab sie nicht, nie mehr. "Ich kann bis heute nicht begreifen, dass die Stadt sich dieses tolle Event von Düsseldorf hat wegnehmen lassen", sagt Lutz Menge. "Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin hat auf die Schnelle eine halbe Million Euro lockergemacht und die Veranstaltung bekommen." Mönchengladbach wollte für das Großereignis gar nichts auf den Tisch legen und klagte dann über den "Ideenklau". Wobei aber nicht nur die Stadt auf die Bremse getreten hatte: Der Gladbacher Einzelhandel freute sich zwar über Aktionen, die ihm Umsatz brachten, zog aber mit eigenem Engagement nicht so mit, wie das Citymanagement es gebraucht hätte. "Doch die vier Jahre haben mir Spaß gemacht", sagt Menge. "Auch, weil die Zusammenarbeit mit Horst Römgens so gut war, der mit seinem Einsatz vieles erst möglich gemacht hat."

Düsseldorf startete im Oktober 2002, elf Monate nach dem letzten Gladbacher Rennen, seinen ersten FIS-Weltcup an der Rheinufer-Promenade. Auch wenn er keine spektakulären Abfahrtsrennen bot, sondern Skilanglauf, wurde es eine Erfolgsgeschichte. Zehn Jahre lang, bis der Ski-Weltverband Düsseldorf 2012 den Rücken kehrte.

 Ein dominanter Punkt am Berliner Platz: das Menge-Haus.

Ein dominanter Punkt am Berliner Platz: das Menge-Haus.

Foto: LM

Im Dezember 2016 ist der Wintersport nach Mönchengladbach zurückgekehrt: Die deutschen Ski- und Snowboard-Freestyler starteten ihr "Big-Air-Sprungfestival" im Sparkassenpark auf einer 49 Meter hohen und 120 Meter langen Rampe. Gut 20.000 Zuschauer kamen, nicht geschätzt, sondern gezählt, weil sie im Gegensatz zum Ski-Event Eintritt zahlen mussten. Das Fernsehen war da, die Auflage 2017 ist schon terminiert: 1. und 2. Dezember. Veranstalter sind wieder Sparkassenpark und Allrounder, der Betreiber der Skihalle in Neuss. Der war schon 1998 bis 2001 Veranstalter des Ski-Events, damals noch unter dem Namen Allrounder und mit Sitz in Mönchengladbach. Wobei Allrounder-Chef August Pollen 1998 zunächst die Idee hatte, die Veranstaltung am Geroplatz aufzuziehen. Doch Menge hatte die bessere Idee: "Die Hindenburgstraße hat schon das nötige Gefälle, man muss keine große Rampe bauen." Und vor allem: "Dem Einzelhandel bringt es großen Kundenzustrom."

Die Idee klappte, vier Jahre lang, bis Düsseldorf kam. Und Mönchengladbach ohne sein Riesen-Event da stand. Doch "Schneekönig" Lutz Menge war mit seinen Ideen nicht am Ende. 2002 veranstaltete das City-Management einen "Art-Saturday": Die Hindenburgstraße wurde zum Museum, präsentierte Kunst von Joseph Beuys. 2003 kam das "City-Fest", wieder mit einem Novum für die Republik: Ein Go-Cart-Rennen in der Fußgängerzone lockte, so die Schätzung, 150.000 Besucher an.

 Einweisung zum Start der Ralley Paris - Peking 2013: Lutz Menge mit seinem Mustang Fastback von 1964 vor der 13.500 Kilometer weiten Fahrt.

Einweisung zum Start der Ralley Paris - Peking 2013: Lutz Menge mit seinem Mustang Fastback von 1964 vor der 13.500 Kilometer weiten Fahrt.

Foto: LM

Lutz Menge, City "Manager" von 1996 bis 2003, hatte früh zu den Männern gehört, die sich ernsthafte Gedanken um die Entwicklung der Hindenburgstraße machten und einen "84-Punkte-Plan" entwickelten. "Darin war auch der Vorschlag, den Busverkehr in der Fußgängerzone zu verringern: Die Busse sollten nur noch bergauf über die Hindenburgstraße fahren und bergab über die Steinmetzstraße. Das ginge auf keinen Fall, hieß es dann", erzählt Lutz Menge. Der ganze Plan landete in der Schublade. Zwei Jahrzehnte später ging es dann doch: Seit 2016 fahren die Busse nur noch bergauf über die Hindenburgstraße, bergab über die Steinmetzstraße...

Wände, vor die er bei der Stadt lief, vor allem aber mangelnde Bereitschaft des Einzelhandels, das City-Management zu unterstützen, wenigstens Mitglied zu werden, die Enttäuschung über den Wegzug des Ski-Events: Da kam wohl einiges zusammen. Nach sieben Jahren im Amt war es Lutz Menge genug: Im Oktober 2003 trat er als Vorsitzender zurück.

(RP)
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