Mönchengladbach Der Kunst den passenden Rahmen geben

Mönchengladbach · Seit 1893 gibt es das Giesenkirchener Unternehmen Boden, eine Meisterwerkstatt für Einrahmungen und individuelle Bucheinbände. Die Kunden kommen aus ganz Deutschland - darunter ist sogar das Kölner Domkapitel.

 Gabriele und Peter Boden bei der Arbeit. Peter Bodens Urgroßvater gründete das Unternehmen im Jahr 1893.

Gabriele und Peter Boden bei der Arbeit. Peter Bodens Urgroßvater gründete das Unternehmen im Jahr 1893.

Foto: Raupold Isabella

Auf der Suche nach dem passenden Bilderrahmen wird Gabriele Boden auch schon mal unter der Schaukel im heimischen Garten fündig: "Der Dreck hatte genau die richtige Farbe und Konsistenz, um die Arbeit von Felix Droese ,Ich habe genug' mit dem gewünschten Schlickrahmen einfassen zu können." Für die staatlich geprüfte Bildeinrahmerin war das allerdings längst nicht der ungewöhnlichste Auftrag. Eher beiläufig erwähnt sie, dass Kunden auch schon mal einen getrockneten Salamander zum Einrahmen bringen, oder den Panzer einer Krabbe. Babyschuhe, Trikots oder Brautsträuße stehen ebenso in den Auftragsbüchern der Giesenkirchener Rahmenwerkstatt und Buchbinderei, wie auch das: "Eine Kundin hat uns ein Kuhfell zum Rahmen gebracht, das sie dann künstlerisch bearbeiten wollte."

Aber natürlich geht es auch ganz klassisch, erzählt Ehemann Peter Boden, der das Handwerk des Einrahmens während seiner Ausbildung zum Buchbinder gelernt hat. Immer dann, wenn ihnen alte Ölbilder gebracht werden. Manchmal dauere es zwei, drei Tage, bis der alte Firnis abgetragen und die neue Schicht aufgetragen ist. "Je nach ,Tagesform'. Die Luftfeuchtigkeit im Raum ändert sich zum Beispiel ständig", erklärt Gabriele Boden, und tupft mit einem Fliestuch vorsichtig über einen Heuhaufen, der Teil eines arg vergilbten Landschaftsbildes ist. "Wenn's nicht anders geht, arbeiten wir auch mit Q-Tips. Zur späteren Versiegelung kommt bei uns ausschließlich Naturharzfirnis auf das Bild. Der vergilbt nicht so schnell und kann entfernt werden, ohne dass die Farbe angegriffen wird."

In den Schränken und auf den Regalen der Werkstatt der Bodens stapeln sich nicht nur Kartons unterschiedlicher Güte oder Folien für Objektkästen und Rahmen, Flaschen und Fläschchen verschiedenen, manchmal geheimnisvollen Inhalts. Leimtöpfe, Küchenkrepp, Zangen, Scheren, Pinsel und Tupfer säumen die großen Arbeitstische. Große Fenster liefern das nötige Licht, im Hintergrund läuft leise Musik, nicht selten auch noch spätabends und nicht selten Klassisches. Die in Farbe und Form höchst unterschiedlichen Rahmenleisten stehen ordentlich sortiert als "Stangenware", bis zu drei Meter lang, aufrecht an zwei Wänden. Wo Platz ist, hängen Musterwinkel. Ein Lager, erklärt Peter Boden, das für ihn gegenüber den Möglichkeiten im Internet deutlich punktet: "Ich muss die Leiste sehen und fühlen können. Und ich muss dem Kunden gegenüberstehen. Schon der erste Eindruck von Mensch und Wunsch löst bei mir die Idee aus, wie wir für das jeweilige Bild oder Objekt, und den Kunden den passenden Rahmen finden." Da alles aus einer Hand komme, die Leiste individuell angefertigt wird, sei man durchaus konkurrenzfähig.

Die Maxime ihrer handwerklichen Arbeit sei unumstößlich: "Der Rahmen muss immer auf das Motiv hinführen." Er habe immer nur eine dienende Funktion. Gleichwohl gebe es natürlich auch das provozierende Moment, wirft Peter Boden ein: "Ein Barockrahmen passt mitunter perfekt zu einem modernen Bild." Im Augenblick beschäftigt er sich mit der abstrakten Arbeit einer Künstlerin, in der kräftige Blau- und Türkistöne dominieren: "Das Bild hat eine unglaubliche Tiefe. Mit einer Schattenfuge, die zudem ein Spiegel ist, kommen die Farben noch deutlicher zur Geltung."

Rahmen haben es der gelernten Energieanlagenelektronikerin Gabriele Boden schon immer angetan. Spätestens mit ihrer Einheirat in die Familie Boden. Als die zweifache Mutter 2011 mit ihrer Ausbildung zur geprüften Bildeinrahmerin begann, hat sie noch gedacht: "Was nur wollen die Dozenten über so lange Zeit über Rahmen erzählen?" Ein Jahr dauerte die Ausbildung im Blockunterricht: "Unser Dozent hat uns an Bildern vom Flohmarkt das Reinigen der Bilder üben lassen. Abends sind wir in die Stuttgarter Staatsgalerie gegangen. Nicht wegen der Bilder, sondern um das Datieren der Rahmen zu lernen: War das nun ein Kabinettrahmen aus dem Flandern des 17. Jahrhunderts? Was macht ein Barockrahmen aus? Faszinierend." Als Hausaufgabe musste sie dann Passepartouts schneiden, Rahmen vergolden, versilbern, usw..

Peter Bodens Urgroßvater hat 1893 in Giesenkirchen "als Fotograf und Einrahmer" begonnen. Die Kunden kommen heute aus ganz Deutschland. Dazu gehören neben Privatleuten, Firmen, auch Kanzleien, Arztpraxen und Galerien. Und auch das Kölner Domkapitel, was Peter Boden als Dom-Liebhaber besonders freut: "Wir haben für die Sakristei ein Porträt des Kardinal Meissner rahmen dürfen. Die Leiste durfte nicht zu prunkvoll ausfallen und sollte zum Stil des Doms passen. Das war schon eine aufregende Sache."

Quasi im gleichen Atemzug kommt er mit einem völlig profanen Ding um die Ecke, das die Bandbreite der kreativen Arbeit von Gabriele und Peter Boden einmal mehr unterstreicht: Ein Pizzakarton, bemalt vom Beuys-Schüler Haki Ritzerfeld, und zwar außen und innen. "Wir rahmen den Karton mit einer Schattenfuge und geben einen Kunststoffstab dazu. So kann der Kunde den Karton jederzeit öffnen, und beide Bilder betrachten."

(akue)
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