Redaktionsgespräch Susanne Titz Der Esel ist intelligent und geht gern im Zickzack

Mönchengladbach · Die Direktorin des Museums Abteiberg spricht über den Hollein-Bau, Verbesserungen im Umfeld und die Fortbewegungsart von Eseln.

 Susanne Titz leitet seit elfeinhalb Jahren das Museum Abteiberg. Sie möchte, dass das Hollein-Haus als lebendiger Veranstaltungsort wahrgenommen wird. Die jüngsten und zukünftigen Entwicklungen sind dabei förderlich.

Susanne Titz leitet seit elfeinhalb Jahren das Museum Abteiberg. Sie möchte, dass das Hollein-Haus als lebendiger Veranstaltungsort wahrgenommen wird. Die jüngsten und zukünftigen Entwicklungen sind dabei förderlich.

Foto: Detlef Ilgner

Frau Titz, Sie leiten das Museum Abteiberg seit Oktober 2004, das sind elfeinhalb Jahre. Was waren die Highlights dieser Zeit?

Titz Seit der Generalsanierung nimmt das Museum eine sehr schöne Entwicklung. Wir konnten zeigen, dass das Museum ein ganz, ganz wichtiger Faktor des internationalen Renommees der Stadt Mönchengladbach ist. Das Gebäude ist mit einem großen Budget gerettet worden, aber das Museum ist währenddessen nicht verschwunden, sondern durch das Projekt Museum X sichtbar geblieben. Auch hinterher war das Museum präsent mit dem Kunstwerk von Gregor Schneider oder mit der Aktion "Ein ahnungsloser Traum vom Park". Es ist wichtig, dass das Museum nicht nur Kunstliebhaber anzieht, sondern auch für die Bürger der Stadt einladend ist. Dazu trägt der freie Eintritt am 1. Sonntag im Monat viel bei.

Rund um das Museum passiert derzeit eine ganze Menge. Es geht um den besseren Anschluss an die Hindenburgstraße. Da hilft doch sicher das neue Gebäude gegenüber und vor allem das Café, das hier entstehen sollen.

Titz Die Erreichbarkeit und die Wahrnehmbarkeit des Museums zu verbessern, war schon lange unser Wunsch und unser Ziel. Das Museum will ein guter Gastgeber sein und als lebendiger Veranstaltungsort wahrgenommen werden. Dazu braucht es Veränderungen im Umfeld, und diese Entwicklung findet jetzt statt. Dieses Jahr werden die entscheidenden Schritte gemacht. Ich bin sehr gespannt auf das neue Gebäude gegenüber. Man merkt jetzt schon, dass der verspiegelte Eingang zum Museum unterhalb der Brücke nun freier wirkt. Er bekommt jetzt seine durchaus schrille 80er-Jahre-Ästhetik. Die Brücke wird auf Dauer nach unten auch nicht mehr verschatten, sondern pointieren. Ich verspreche mir sehr viel von dem veränderten Umfeld.

Glauben Sie eigentlich noch an den von Hollein geplanten zweiten Bauabschnitt?

Titz Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Sollte es die Möglichkeit geben, wäre das grandios für das Haus. Wir könnten die Präsentationsflächen ergänzen und zum Beispiel wichtige Stücke der Sammlung zusätzlich ausstellen. Wir bräuchten auch dringend einen weiteren Raum für die Museumspädagogik. Die Malschule ist schön, aber ein Raum reicht nicht aus. Auch weitere Depotflächen für das Archiv und die Bibliothek wären sinnvoll, denn es kommen immer mehr Forscher von auswärts. Die Kunst der 60er, 70er und 80er Jahre, die unseren Schwerpunkt bildet, rückt immer mehr in den Fokus. Es entwickelt sich ein regelrechter Hype. Die Universität Gent bietet beispielsweise ein großes Seminar an, das sich ein Semester lang nur mit dem Museum Abteiberg beschäftigt. Ähnliches passiert in London und Zürich.

Im Ausland wird man, wenn von Mönchengladbach die Rede ist, immer auf zwei Dinge angesprochen: Borussia und das Museum. Profitiert das Haus nach wie vor von der besonderen Architektur? Wie reagieren die Künstler darauf?

Titz Die Künstler haben Respekt vor dieser besonderen Architektur. Es gibt immer eine Phase intensiven Nachdenkens. Es ist tatsächlich so, dass die Erscheinung der Objekte sich beim Aufstellen in den Räumlichkeiten verändert - sie wirken kleiner oder größer. Die Offenheit der Architektur kann es schwierig machen, der Ausstellung einen Rücken zu geben. Dafür suchen die Künstler nach unterschiedlichen Lösungen. Monika Baer hat in ihrer aktuellen Ausstellung zum Beispiel mit einer quer gestellten Wand das Foyer abgeschlossen. Grundsätzlich ist es aber so, dass gerade jüngere Künstler von dieser Architektur begeistert sind. Sie erkennen die besondere Bühne für die Kunst, die diese Räume bieten.

Die Architektur des Museums gilt als vorbildlich, dennoch sind andere Museen in der Folge dem Modell Mönchengladbach nicht gefolgt. Warum nicht?

Titz Das Gebäude wurde für den Kontakt mit der Kunst gebaut. Hier hängen die Kunstwerke nicht arrogant an der Wand. Es ist eine humane Architektur, die den Betrachter in den gleichen Raum mit dem Objekt stellt. Spätere Museen haben diese Ausrichtung nicht mehr. Viele sind traditioneller, wieder eher Kunsttempel als Begegnungsort. Das Museum Abteiberg ist eine Besonderheit geblieben, gerade das lockt viele Besucher an.

Die Cathy-Wilkes-Ausstellung, die letzten Monat endete, hat teilweise starke Reaktionen hervorgerufen. Manche Besucher waren regelrecht schockiert. Worauf führen Sie das zurück?

Titz Cathy Wilkes hat immer das Existentielle betont und sich mit dem Menschlichen beschäftigt. Die Ausstellung brachte sehr viel Nähe und war brutal aktuell, obwohl die Kunstwerke zehn oder zwanzig Jahre alt waren. Das zeigt, wie viel Bezug Kunst zur Gesellschaft hat. In der Auseinandersetzung mit der Gegenwart stellen sich die Fragen der menschlichen Existenz. Wir hatten den Realismus zeitweise verloren, deswegen kommt er uns jetzt so nahe.

Das Museum macht viel Arbeit, Arbeit, die von Außenstehenden in der Regel gar nicht wahrgenommen wird. Mit wie vielen Mitarbeitern stemmen Sie das "Unternehmen Museum"? Und: Würden Sie sich mehr Personal wünschen?

Titz Im Museum arbeiten zehn Personen plus eine Volontärin, die sich um die Kunst im öffentlichen Raum kümmert. Das konnte unsere Restauratorin vorher gar nicht so schnell schaffen, wie es nötig gewesen wäre. Die Arbeit mit der umfangreichen Sammlung ist sehr aufwendig. Es ist schließlich auch eine Arbeit mit den Werten des Museums. Wichtige Stücke werden verliehen wie jetzt gerade beispielsweise Werke von Marcel Broodthaers ans New Yorker Museum of Modern Art. Bei solchen Gelegenheiten muss die Restauratorin mitfahren, um sicherzustellen, dass die Werke auch unbeschadet wieder zurückkommen. Das sind große Aufgaben, die niemand sieht. Auch hinter den Ausstellungen, selbst mit deutschen Künstlern wie Monika Baer, steckt eine komplexe Logistik, denn auch von ihr gibt es Werke, die aus den USA oder aus Italien herangeschafft werden müssen. Ich würde mir natürlich mehr Personal wünschen, denn bei uns müssen alle viele Aufgaben gleichzeitig übernehmen. Die Sparanstrengungen haben schon sehr früh bei den Museen angesetzt. Wir sind am unteren Limit und könnten besser sein, wenn es nicht so wäre.

Wie sieht es mit der Öffentlichkeitsarbeit des Museums aus? Wie sprechen Sie Kindergärten und Schulen an?

Titz Die Zusammenarbeit mit den Kindergärten und Schulen funktioniert gut. Ich erlebe oft, dass die Kinder anschließend ihren Eltern den Spaß am Haus und an der Kunst vermitteln. Das Anfangsgefühl ist wichtig. Das muss positiv sein.

Die Anbindung an den Sonnenhausplatz mit dem "Donkey´s Way" von Rita McBride wird bis zum Herbst verwirklicht. Die geplanten Esel haben für einige Aufregung gesorgt. Was sagen Sie dazu?

Titz Für das Kunstwerk von Rita McBride wird oft die Bezeichnung "7 Donkeys" verwendet, aber es heißt tatsächlich "Donkey´s Way" und darum geht es auch - um Wege. Es spielt auf eine Aussage von Le Corbusier an. Er sagt, der Mensch gehe am liebsten gerade Wege, weil er von der Vernunft getrieben sei. Der Esel gehe im Zickzack, döse zwischendurch und wolle sich möglichst nicht anstrengen. Das passt in unsere heterogene Stadt. Gerade am Sonnenhausplatz verbindet sich Einkaufen und Wohnen. Jugendzentrum, Seniorenzentrum, VHS, Musikschule und Museum liegen alle in der Nähe. Diesen heterogenen Ansatz, der sich sehr von Le Corbusiers Ansatz der Trennung von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen unterscheidet, greifen die Wege der Esel, die durch das leuchtende Netzwerk von Linien dargestellt werden, auf. Esel gehören übrigens zu den intelligentesten Lebewesen überhaupt. Gerade das Störrische in ihrem Charakter ist Zeichen ihrer Sensibilität.

DAS GESPRÄCH MIT SUSANNE TITZ FÜHRTEN INGE SCHNETTLER, MILENA REMUS UND ANGELA RIETDORF.

(arie)
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