Mönchengladbach Der Aufräumer von Neuwerk

Mönchengladbach · Ein schlimmeres Urteil kann man über die Arbeit einer Gemeinde wohl kaum fällen. Von einem Bürgermeister zu sagen, er sei völlig überfordert gewesen, der Gemeinderat regiere ziemlich selbstherrlich, Pünktlichkeit und Gründlichkeit ließen zu Wünschen übrig und die Verhältnisse seien einfach zerfahren, lässt die Situation Neuwerks kurz vor dem Eintritt ins 20. Jahrhundert nur erahnen.

 Everhard von Groote war in der Bartpflege genauso bewandert wie engagiert für sein Neuwerk.

Everhard von Groote war in der Bartpflege genauso bewandert wie engagiert für sein Neuwerk.

Foto: Stadtarchiv

Diesen Zustand stellte damals der Gladbacher Landrat Rudolf von Bönninghausen fest. Und scheinbar konnte es nur einen geben, der das zu ändern wusste: Everhard von Groote, der wichtigste Bürgermeister, den Neuwerk je hatte.

Herausforderung zum Duell

Gegen den heillosen Zustand in der Neuwerker Verwaltung berief der Düsseldorfer Regierungspräsident auf Vorschlag von Bönninghausens diesen Verwaltungsfachmann adeliger Abstammung und beachtlicher militärischer Karriere in die Neuwerker Amtsstube. Everhard Arnold August Ritter und Edler von Groote zu Kendenich — so sein voller Name — sollte der Selbstherrlichkeit, die den Gemeinderat bestimmte, ein Ende bereiten. Dass er dafür offenbar der Richtige war, zeigt allein seine wichtigste Tat: Er schaffte mit der von ihm stetig vorangetriebenen Eingemeindung zu Gladbach sein eigenes Amt ab.

Zunächst machte von Groote beim Militär Karriere. Mit 21 Jahren trat er der preußischen Armee bei und wurde 1895 Adjutant des renommierten Generals Gottlieb Graf von Haeseler. Nach zwei Jahren beim General schied er aus der Armee aus. Seine Frau erwartete von einem Liebhaber ein Kind, und dieser fordert von Groote zum Duell heraus. Von Groote lehnte aus religiöser Überzeugung ab, auch wenn ihm der militärische Ehrenkodex das Gegenteil verhieß. Kaiser und Militärkabinett erwarteten nun, dass ein Offizier, der ein Duell verweigerte, den Dienst quittiert.

Nun begann die Verwaltungslaufbahn von Grootes zunächst mit der zweijährigen Ausbildung, dann als Bürgermeister von Weeze. Die Berufung nach Neuwerk war der nächste Karriereschritt für den emsigen von Groote. Er erkannte schnell, wo für Neuwerk die Zukunft liegt: in Gladbach. Zunächst allerdings entstand das neue Rathaus. Im Jahr 1905 stimmte der Gemeinderat zu, zwei Grundstücke an der heutigen Liebfrauenstraße zu kaufen und dort für 72 000 Mark das Rathaus zu bauen. Am 2. Juli 1907 zog nicht nur die Verwaltung ein, sondern auch der Bürgermeister in seine neue Dienstwohnung.

Sein wichtigstes Werk allerdings begann von Groote 1913 mit den Eingemeindungsgesprächen mit Gladbach. Er initiierte eine siebenköpfige Kommission, die bereits am 19. Dezember 1913 einen verabschiedungsreifen Vertrag vorlegte, der Neuwerk einen kleinen Rest kommunaler Mitbestimmung ließ. Die Neuwerker Bürger sprachen sich mehrheitlich für den Vertrag aus, der Landrat Rudolf von Bönnighausen allerdings merkte nun, wen er da geholt hatte: Da er selbst um sein Amt fürchtete, kritisierte er Vertrag und von Groote scharf, dieser habe sich durch eine gute Entschädigung bereichern wollen. Der Erste Weltkrieg, zu dem sich von Groote freiwillig meldete, beendete die Eingemeindung vorerst. Sieben Jahre später war es dann soweit: Nach seiner Rückkehr betrieb er die Eingemeindung von neuem. Am 20. April 1920 stimmte der Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit zu. Von Groote konnte ein Jahr später in Pension gehen, um in Ruhe in Eichstätt Theologie zu studieren und sich zum Priester weihen zu lassen.

Er hatte aufgeräumt. Und wie.

(RP)
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