Mönchengladbach Das bringt der Nahverkehrsplan

Mönchengladbach · Geld zurück bei groben Verspätungen, einen Fahrgastbeirat, barrierefreie Bushaltestellen, Bike-and-Ride-Anlagen, Ausbau des Liniennetzes - darum geht's im Groben, wenn der Rat heute den Plan endgültig beschließt.

Mönchengladbach: Das bringt der Nahverkehrsplan
Foto: NEW AG

Zwei Jahre wurde gearbeitet am Nahverkehrsplan. Er ist die Grundlage dafür, dass die Stadt den Betrieb des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ab dem 4. Dezember 2019 direkt an die NEW vergeben darf - ohne europaweite Ausschreibung. Heute soll er im Rat beschlossen werden. Das können Fahrgäste davon erwarten. . .

Was ist noch strittig? Inhaltlich sind sich die Parteien im Grunde einig, das Konzept am Mittwoch nach jahrelanger Arbeit zu verabschieden. Trotzdem haben im Hauptausschuss in der vergangenen Woche die Grünen gegen das Konzept gestimmt, der Linken-Fraktionsvorsitzende Torben Schultz enthielt sich. Der wohl letzte zentrale Streitpunkt ist die Frage nach der Barrierefreiheit. Dazu sagt das Konzept zwar eine Menge, etwa dass die mehr als 500 Bushaltestellen mit mehr als 1000 Haltestellenposition bis zum Jahr 2022 komplett barrierefrei ausgebaut sein müssen und nach welcher Priorisierung man nun vorgehen möchte. Maßgabe ist eine "durchgängig barrierefreie Mobilitätskette". Die Frage allerdings, ob die Behindertenverbände entsprechend ausreichend einbezogen worden sind, sorgte im Hauptausschuss für Diskussionen. Die regionalen Büros des Bundesverbands Selbsthilfe Körperbehinderter in Mönchengladbach (BSK) und des Sozialverbands Deutschland kritisierten nun, sie seien zwar im Frühjahr dieses Jahres angehört worden, aber aus ihrer Sicht eben zu spät. Eine sachgerechte Stellungnahme benötige noch viel Zeit, man hätte bereits in der Planung aktiv beteiligt werden müssen. Dem hielt Bau- und Planungsdezernent Gregor Bonin entgegen, man habe die Verbände genügend beteiligt. "Sie sind am 15. März angeschrieben worden mit der Bitte um eine Stellungnahme. Am 9. April wurde der Plan den Verbänden persönlich vorgestellt, und das ist ausdrücklich gelobt worden", sagte Gregor Bonin zuletzt im Hauptausschuss. "Wir sind rechtlich und inhaltlich der Überzeugung, dass der Nahverkehrsplan alles für die Barrierefreiheit getan hat."

Was ist schon entschieden? Die Stadt bekommt ein neues Liniennetz, der Fahrplan wird in drei Schritten moderat ausgebaut: mit einem neuen Citytakt (alle zehn Minuten), einem Abbau von Umwegen, einem intensivierten Schnellbusangebot, besserem Wochenendangebot sowie zusätzlichen Tangential- oder Ringlinien. Wenn alles umgesetzt ist, dann wird die NEW mobil mit allen Maßnahmen etwa 1,3 Millionen Kilometer pro Jahr mehr Strecke bedienen. Das sind zwölf Prozent mehr Leistung im Vergleich zum jetzigen Streckennetz.

Wann gibt's die ersten Veränderungen? Der Fahrplanwechsel zum 16. Juli bringt bereits 18 Veränderungen im Netz (welche das im Einzelnen sind, finden Sie im Internet unter www.rp-online.de/moenchengladbach). Bis Dezember 2019 stehen insgesamt 30 Maßnahmen an.

Was, wenn ich Fahrrad und Bus nutzen möchte? Dann sind Sie, um in der Fachsprache zu bleiben, sehr multimodal unterwegs. Das heißt, man mischt eben die Verkehrsmittel flexibel. Das soll der Nahverkehrsplan auch fördern, indem neue Bike-and-Ride-Anlagen entstehen, etwa an Haltestellen an den Tarifgrenzen, an Endhaltestellen, in der Nähe von Freizeitzielen. Der Plan unterscheidet drei Modelle: Die Anlagen sollen mit mindestens zwei Anlehnbügeln im Umfeld der Haltestellen in dezentralen Siedlungsbereichen (Modell "mini"), oder mit mindestens fünf Anlehnbügeln mit Überdachung im Bereich nachfragestarker Bushaltestellen in zentralen Bereichen (Modell "basis") oder mit Anlehnbügeln nach Bedarf, Fahrradboxen und Fahrradparkhaus an den nachfragestärksten Haltestellen (Modell "plus") ausgestattet sein. Insgesamt sollen Bike-and-Ride-Anlagen, Park-and-Ride-Plätze, Fahrradverleihsysteme und Carsharing-Angebote in den Öffentlichen Nahverkehr integriert werden. Das nennt sich dann so richtig multimodal.

Sind die Busse künftig pünktlicher? Zumindest macht der Nahverkehrsplan klare Vorgaben: Verspätungen von mehr als fünf Minuten werden nur "in Ausnahmefällen toleriert". Bei Verspätungen von mehr als 20 Minuten können Fahrgäste (wie im gesamten NRW-Nahverkehr auch) auf einen Zug oder ein Taxi umsteigen. Die Kosten werden übernommen, wenn der Bus mit mindestens 20 Minuten Verspätung abfährt und es keine Alternative gibt. Die Stadt Mönchengladbach verschärft die Regel: An zehn Minuten Verspätung einer Fahrt im Stadtgebiet mit einem VRR-Ticket wird der Fahrpreis zurückerstattet. Und wenn nach 20 Uhr durch eine Verspätung ein Anschluss verpasst wird, kann der Fahrpreis ebenfalls zurückverlangt werden oder eine Taxifahrt beansprucht werden.

Gibt's bald auch mal Elektrobusse? Davon ist auszugehen. Zumindest soll die NEW bis zum Jahr 2020 eine Strategie entwickeln, wie umweltfreundliche Antriebe in die Fahrzeugflotte aufgenommen werden können. Dabei sind aber auch Alternativen zur Elektromobilität zu untersuchen. Vermutlich kommt es so: Es wird eine Testlinie geben, auf der Elektrobusse fahren. Ob aber im Anschluss der gesamte Fuhrpark auf Elektroantrieb umgestellt wird, ist völlig offen.

Was bedeutet der Nahverkehrsplan für die Busfahrer? Eine ganze Menge, denn 170 Fahrer der NEW-Tochter Westbus sollen zurück in den Mutterkonzern. Hintergrund ist, dass die NEW einen vorgeschriebenen Anteil an Eigenleistung nachweisen muss. Weil die Rechtslage unklar ist, will das Unternehmen kein Risiko eingehen. Gleichzeitig schreibt der Nahverkehrsplan Anforderungen an das Fahrpersonal fest: Fahrer müssen unter anderem ein Namensschild tragen, sicher Deutsch sprechen, alle bedienten Haltestellen und Umsteigemöglichkeiten kennen, wichtige öffentliche Einrichtungen kennen, die Rampe für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste sicher bedienen können. Sie sollen regelmäßig geschult werden zum Umgang mit Fahrgästen mit Behinderung, zum Anfahren barrierefreier Haltestellen, freundlichen Umgang mit Fahrgästen und mehr.

Wie sieht's mit Beschwerden aus? In den vergangenen Wochen hatten unsere Redaktion immer wieder mal Beschwerden über Busfahrer erreicht. Jürgen Breiderhoff ärgerte sich als Rollatorfahrer in der Vergangenheit häufiger darüber, dass die Fahrer zu schnell anfahren. Langsame Fahrgäste könnten sich erst während der bereits wieder aufgenommenen Fahrt setzen. Und wenn mobilitätseingeschränkte Fahrgäste erst aufstünden, wenn der Bus auch wirklich stehe, setze häufig bereits wieder die automatische Türschließung ein.

Jürgen Breiderhoff beschwerte sich mehrmals bei der NEW und gründete eine Initiative "Mobilitätseingeschränkter NEW-Fahrgäste". Er kritisiert ein "Primat der Pünktlichkeit". Dem entgegnet die NEW, die Fahrer werden laufend für den Umgang mit körperlich gehandicapten Fahrgästen sensibilisiert. "NEW und Polizei kümmern sich gemeinsam schon seit 2009 regelmäßig mit Schulungen und Aktionen um die mobilitätseingeschränkten Fahrgäste." So etwa mit einem jährlichen Rollatortag. "Rollstuhl- und Rollatorfahrer haben bei diesen Schulungen die Möglichkeit, das Ein- und Aussteigen vor Ort zu üben und Fragen zu stellen." Die Busfahrer würden überdies für den Umgang mit körperlich gehandicapten Fahrgästen sensibilisiert. Die NEW hat eine Beschwerdestelle, und dort würde auch jeder eingehenden Beschwerde nachgegangen. "Unsere Beschwerdequote liegt, gemessen an der Zahl der Fahrgäste, im Promillebereich", so die NEW.

Um genau solche Auseinandersetzungen soll sich ab dem Jahr 2019 ein Fahrgastbeirat kümmern, zumindest soll die "mögliche Einrichtung durch die Verwaltung vorbereitend geprüft werden". Der Beirat soll mindestens zweimal im Jahr tagen und Vermittler sein zwischen Fahrgästen, Verkehrsbetrieb und Stadtverwaltung.

Was bedeutet das alles für mich als Fahrgast? Die Stadt will auf Grundlage des Nahverkehrsplans die Dienstleistung "Öffentlicher Personennahverkehr" direkt an die NEW vergeben. Im Grunde bietet das Stadt und Fahrgästen erstmal eine gewisse Verlässlichkeit: Der Busverkehr wird weiter von Mönchengladbach aus und nicht von einem Privatunternehmen, das irgendwo in der EU sitzen könnte, gesteuert. Das Liniennetz ist klar umrissen und festgelegt. Mehr Fahrten und mehr Linien bedeuten aber auch mehr Kosten. Der moderat ausgebaute Fahrplan kostet nach Abzug der Mehreinnahmen von Fahrgeldern im Jahr knapp 1,5 Millionen Euro mehr. Das kann sich nur indirekt auf die Ticketpreise auswirken, denn die werden vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) bestimmt.

(RP)
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