Prof. Dr. Peter Schallenberg Christliche Soziallehre und Osteuropa
Mönchengladbach · Der Theologieprofessor Schallenberg (51) leitet seit fünf Jahren die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (KSZ) der Deutschen Bischofskonferenz in Gladbach. Wir sprachen mit ihm über die Sozialethik-Tagung am 12. und 13. Juni.
Monsignore Schallenberg, die Ausrichtung der jährlichen Tagungen "Sozialethische Gespräche", die im Rathaus Abtei stattfinden, hat sich seit Ihrem Dienstantritt geändert. Die Themen sind weiter gefasst als früher, europäisch, ja sogar global. Wieso dieser Wandel der Perspektive?
prof. schallenberg Seit 2011 werden die Sozialethischen Gespräche gemeinsam von der KSZ und der Kommission der Bischofskonferenzen in der EU (COMECE) konzipiert. Damit verbunden ist der Auftrag, die katholische Soziallehre mithilfe solcher Tagungen über Deutschland hinaus zu verbreiten, sogar über Europa hinaus. Wie Sie sich erinnern, hatten wir zum Beispiel 2014 das Leitthema "Europa und die USA - Freihandel und gemeinsame Verantwortung".
In diesem Jahr richten Sie den Blick auf Osteuropa. Wohl nicht ganz zufällig 25 Jahre nach der Wende, oder?
Schallenberg Genau, 25 Jahre später gibt es in mehreren osteuropäischen Ländern eine gewisse Konsolidierung, es sind viele Dinge in Richtung Demokratie in Gang gebracht worden. Aber es bleiben auch noch viele Probleme, wie das Beispiel Ukraine zeigt.
Unterscheiden sich die Grundlagen der Soziallehre in diesen Ländern stark von der im Westen?
Schallenberg Die Soziallehre im Westen basiert auf Begriffen wie Personalität, Subsidiarität und Solidarität in der Gesellschaft. Was das zum Beispiel für die Sozialgesetzgebung eines Staates bedeutet, wollen wir im Hinblick auf osteuropäische Länder wie Polen, Rumänien, Bulgarien und die Ukraine fragen. Als akademisches Fach existiert Soziallehre übrigens in Osteuropa bisher nur in Ansätzen. Unsere Aufgabe ist es, die Werthaltungen unserer Sozialethik in diesen Ländern bekannter zu machen. Es ist die Aufgabe von Kirche, dorthin zu gehen.
Sie treffen dort - abgesehen vom katholischen Polen - auf überwiegend orthodoxe Kirchenverfassungen. Wie gehen Sie da vor?
Die Referenten, darunter ein Bischof aus Polen, Janusz Stepnowski, und der Botschafter der Republik Ukraine, Dr. Andrij Melnyk, kommen überwiegend aus den genannten osteuropäischen Ländern, dazu Rumänien und Bulgarien. Nach welchen Kriterien haben Sie sie ausgewählt?
Schallenberg Wir kennen natürlich die meisten der eingeladenen Referenten. Wir wollen Beiträge von Wissenschaftlern hören, von denen wir wissen, dass sie neben ihrer eigenen Mentalität auch unsere Anschauung zu bestimmten Themenbereichen kennen und in der Lage sind, beide Seiten zu berücksichtigen.
Erhoffen Sie sich neue Erkenntnisse über die Wirklichkeit in Osteuropa?
Schallenberg In Verbindung mit den beiden letztjährigen Konferenzen in der Ukraine wollen wir die politische und gesellschaftspolitische Lage in den Ländern besser verstehen und einschätzen lernen. Dazu gehört, zur Kenntnis zu nehmen, wie enorm ausgeprägt die Spannungen aufgrund gegensätzlicher Lebensentwürfe im Westen und im Osten der Ukraine sind. Und für uns geht es darum, die Befassung mit Soziallehre dort zu fördern und zu unterstützen. Das tun wir im Rahmen eines zweijährigen Projekts mit Büchern, Personal und Lehrmaterial, zum Beispiel Texten zur Soziallehre in der Landessprache.
Besteht noch Aufnahmekapazität bei der Tagung für Zuhörer?
Schallenberg Wir haben bislang etwa 115 Anmeldungen, da geht noch was. Wir bitten allerdings um vorherige Anmeldung, am besten über den Anmeldebogen auf unserer Homepage: www.ksz.de, oder per Mail an info@ksz.de.
Am Eröffnungstag wird um 19 Uhr im Münster eine Pontifikalvesper gefeiert, also mit einem Bischof.
Schallenberg Es stimmt, Bischof Dr. Janusz Stepnowski von der Diözese Lomza in Nordostpolen wird die Vesper feiern, und am Samstagmorgen wird er erneut die Heilige Messe in der Münsterbasilika zelebrieren, daran werde auch ich mitwirken.