Biker gegen Kindesmissbrauch "Mit dieser Organisation arbeiten wir nicht zusammen"

Mönchengladbach · Mit ihrer Begleitaktion für eine mutmaßlich sexuell missbrauchte junge Frau in Mönchengladbach sorgten die Biker von "Baca Germany" am Montag für Schlagzeilen. Schutzorganisationen und Polizei stehen dem Verein kritisch gegenüber. Wer sind die mysteriösen Kuttenträger?

 Die Biker vor dem Landgericht in Mönchengladbach.

Die Biker vor dem Landgericht in Mönchengladbach.

Foto: Jana Bauch

Sie sehen aus wie Rocker, tragen schwarze Kutten und treten in der Gruppe selbstbewusst auf: In Lederjacken gehüllt begleiteten am Montag rund 20 Männer und Frauen in Mönchengladbach eine junge Frau zum Gericht, die von ihrem Großvater missbraucht worden sein soll. Der Verein Baca ("Bikers against Child Abuse") will ihr mit seiner Präsenz ein Gefühl von Sicherheit geben.

Aber wie kommt es dazu, dass ein Rocker-Club ein Mädchen wie eine Mauer umringt? "Hat das Kind Angst? Denn dafür sind wir da, ihm die Angst zu nehmen, dem Kind Selbstbewusstsein zu geben und es, wenn es darauf ankommt, zu beschützen", sagt Baca-Sprecher Volker Vogel im Gespräch mit unserer Redaktion. Seine Ursprünge hat der Verein im Jahr 1995, als er von John Paul "Chief" Lilly im US-Bundesstaat Utah gegründet wurde. Von den USA aus verbreitete sich die Idee der Biker in insgesamt zehn weitere Länder.

Der 46-jährige Vogel ist Gründungsmitglied des Clubs in Deutschland, den es seit 2013 gibt. Neun lokale Vereine — sogenannte Chapter — gehören ihm an. In Mönchengladbach trifft sich regelmäßig das Rhein-Ruhr-Chapter. Wie viele Mitglieder Baca hat — weltweit oder auch nur in Deutschland — ist unklar. "Mit den Mitgliederzahlen gehen wir nicht hausieren", sagt Vogel. Mitglied könne jeder werden, der volljährig sei und ein erweitertes Führungszeugnis vorweise, in dem kein Eintrag wegen häuslicher Gewalt oder Kindesmissbrauch vermerkt sei.

Kinder werden laut Vogel mit einem feierlichen Ritual "in die Familie" aufgenommen, um ihnen die Angst zu nehmen, noch einmal Opfer zu werden. "Dazu kommen so viele Biker wie möglich zum Haus des Kindes, überreichen ihm dort eine Kutte und einen Teddybären und nehmen es mit auf eine Motorradtour", erklärt Vogel das Prozedere. Danach unternehme man in regelmäßigen Abständen etwas gemeinsam. "Mal gehen wir ein Eis essen, spielen ein Brettspiel oder verabreden uns zu einer Pizza", sagt Vogel. In Fällen, in denen Kinder große Angst vor ihren Peinigern hätten, würde man auch andere Maßnahmen ergreifen. "Dann positionieren wir uns auch gut sichtbar vor dem Haus des Kindes", sagt Vogel. Immer mit dabei: Motorräder und auffällige Kutten.

Laut Vogel kooperiert der Verein mit Kinderschutzorganisationen und der Polizei. Der Kinderschutzbund in Mönchengladbach hat dazu jedoch eine andere Meinung: "Für uns ist ganz klar: Mit dieser Organisation arbeiten wir nicht zusammen", sagt Geschäftsführerin Mareike Esser. "Die Vorgehensweise des Vereins stimmt überhaupt nicht mit unseren Vorstellungen überein, wie man ein Kind in einer solchen Situation betreut."

 Das ist Volker Vogel. Er ist "State-President" von Baca in Deutschland.

Das ist Volker Vogel. Er ist "State-President" von Baca in Deutschland.

Foto: Volker Vogel

Für Kinder, die Missbrauch erfahren haben, sei eine "vorsichtige und behutsame Begleitung" wichtig, sagt Esser. "Und das sollte unter Ausschluss der Öffentlichkeit passieren, um das Kind nicht weiter zu traumatisieren." Auch eine NRW-Sprecherin der Opferschutzorganisation "Weißer Ring" teilt auf Anfrage mit: "In Nordrhein-Westfalen arbeiten wir nicht mit dem Verein zusammen." Man habe sich in der Vergangenheit öfter damit beschäftigt. "Wir haben aber nie mit Baca zusammengearbeitet und werden es auch nicht tun", heißt es.

Zu den Maßnahmen der Biker gehört es, auf Wunsch der Kinder oder deren Eltern in Rocker-Kluft vor dem Haus des Opfers Position zu beziehen oder den Verein bei sogenannten "Nachbarschafts-Aufklärungsfahrten" vorzustellen. Oder eben, wie im aktuellen Fall, mutmaßliche Opfer öffentlichkeitswirksam zu Gerichtsterminen zu begleiten. "Klar kann der Vorwurf kommen, man würde das Kind mit unserer Kutte stigmatisieren — aber ob sie die tragen oder nicht, dass entscheidet das Kind oder die Eltern selber", sagt Vogel.

 Eine geballte Faust, die aber kein Symbol für Gewalt sein soll: das Baca-Logo.

Eine geballte Faust, die aber kein Symbol für Gewalt sein soll: das Baca-Logo.

Foto: Jana Bauch

Nicht nur der Weiße Ring NRW und der Kinderschutzbund Mönchengladbach, auch die Behörden stehen dem Verein kritisch gegenüber. "Es findet keinerlei Austausch oder Zusammenwirken mit dem Verein statt", sagt Isabella Hannen, Sprecherin der Polizei Mönchengladbach. Vor allem den Aspekt, dass die Kinder durch die Biker-Begleitung öffentlich auffallen, sehe man kritisch. "Damit wird für jedermann sichtbar, dass das Kind misshandelt wurde", sagt Hannen. Zudem kümmere sich die Polizei selbst um Opferschutz.

"Dass die Öffentlichkeit das teilweise mitbekommt, ist ja klar. Es ist schon davon auszugehen, dass Nachbarn das sehen, wenn wir vor einem Haus stehen. Aber wenn das Haus der Familie mit Steinen oder Feuerwerkskörpern beworfen wird, dann zeigen wir natürlich Präsenz", sagt Vogel. Das sei alles schon vorgekommen.

(skr)
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