Mönchengladbach Beleidigungen gehören für Busfahrer zum Alltag

Mönchengladbach · Übergriffe auf Busfahrer haben zugenommen, beklagt der Betriebsrat der NEW. Thomas Grüters sitzt seit 25 Jahren hinterm Steuer und merkt immer wieder: Beleidigungen gehören zum Alltag. Die Hemmschwelle bei vielen ist gesunken.

 Thomas Grüters ist seit 25 Jahren Busfahrer in Mönchengladbach. Der Job macht ihm Spaß, aber der Umgang ist ruppiger geworden, sagt er.

Thomas Grüters ist seit 25 Jahren Busfahrer in Mönchengladbach. Der Job macht ihm Spaß, aber der Umgang ist ruppiger geworden, sagt er.

Foto: Detlef Ilgner

Man sieht Thomas Grüters nicht unbedingt an, dass er sich wehren können muss. Er ist doch nur Busfahrer, ein überaus freundlicher überdies. Er liebt es, seinen Gelenkbus durch die Stadt und übers Land zu steuern, am liebsten die Linie SB 83, weniger gern die 003. Aber Busfahrer zu sein ist heute nicht mehr so wie vor 25 Jahren, als er zum ersten Mal einen Möbus der Stadtwerke durch Gladbach lenkte. "Beleidigungen gibt es jede Woche", sagt er mit einer stoischen Ruhe, die zweieinhalb Jahrzehnte Stadtverkehr ihm verliehen haben. Und die verschiedenen Trainings der NEW.

Es ist Dienstagmittag, kurz vor Schichtende, und Grüters fährt seine letzte Tour für diesen Tag. Eine Fahrt wie ein Ausflug ins Grüne. Schnellbus 83 Richtung niederländischer Grenze, mit Tempo 80 über die Autobahn. Ein Fahrgast hat seine Schlappen abgelegt und lüftet die Füße auf der Heizung, andere starren auf ihr Smartphone, eine ältere Dame liest Zeitung, und eine Frau plappert in einer Tour vor sich hin, während drei Fahrkartenkontrolleure (übrigens ebenfalls Busfahrer der NEW) einen kleinlauten Schwarzfahrer aufschreiben. Welch Friede, es gibt wohl kaum einen anderen Ort, an dem Menschen angestrengter ins Leere starren und ihre Ruhe haben wollen. Das ist aber nicht immer so.

Es war im Juni 2014, als Grüters zum ersten Mal am Steuer seines Busses attackiert wurde. Gerade erst hatte er die Linie 002 von einem Kollegen übernommen und steuerte den Bismarckplatz an. Ein Fahrgast wollte mit einem 100-Euro-Schein bezahlen. Als Grüters sagte, den könne er aber wirklich nicht wechseln, holte der Mann zur Schimpftirade aus. "Du Penner!" Und spuckte. "War nur'n Jackentreffer", sagt Grüters heute. Stoische Ruhe eben.

Übergriffe auf Busfahrer wie auch auf anderes NEW-Personal im Kundenkontakt hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sagt der NEW-Betriebsrat. In Zahlen belegen lässt sich das zwar nicht, seit 2012 zählte die NEW fünf tätliche Übergriffe auf Busfahrer, keine steigende Tendenz. Aber der subjektive Eindruck der Fahrer deckt sich mit der Einschätzung der Arbeitnehmervertreter: Beschimpfungen und Pöbeleien, und sei es nur wegen einer Verspätung, gehören zum Alltag. "Je ländlicher man kommt, umso angenehmer wird auch das Publikum", sagt Grüters aus Erfahrung.

Die NEW führte deshalb unter anderem Deeskalationstrainings ein, um heikle Situationen zu beruhigen. Und um für die eigene Sicherheit zu sorgen. "Wenn ich mich um einen aggressiven Fahrgast kümmern muss, lasse ich immer die Türen als Fluchtweg offen und halte genug Abstand", sagt Grüters, der das auch schon vom Kampfsport kannte. "Man darf nie unterschätzen, was passieren kann." Seit 2010 rüstet die NEW überdies ihre 230 Linienbusse mit Kameras aus. Auf einem Bildschirm neben dem Rückspiegel kann Grüters jeden Winkel in seinem Gelenkbus überblicken. 45 Sitzplätze, 113 Stehplätze, ein Rollstuhlfahrerplatz.

Dabei ist nur ein verschwindend kleiner Teil der Fahrgäste auffällig. Insgesamt chauffieren die rund 195 NEW-Fahrer (plus etwa 150 weitere von Westbus) im Jahr rund 57,6 Millionen Fahrgäste durch Mönchengladbach und Viersen. Die Busse legen dabei rund 14 Millionen Wagenkilometer zurück. Legt man diese Zahl auf alle Busfahrer um, fährt jeder von ihnen jedes Jahr mindestens einmal um die Welt.

Und genau das ist es, was Grüters an seinem Beruf so schätzt. "Ich habe bei einer Versorgungseinheit der Bundeswehr das Fahren großer Fahrzeuge gelernt und wollte genau das beruflich tun", sagt er. "Ich habe es noch nie bereut." Nach etwa zwei Stunden Fahrzeit stellt Grüters sein Gefährt wieder an Bussteig 6 am Bahnhof ab. Endstation für ihn. Ein Kollege übernimmt. Grüters macht Feierabend in der Kantine. Gut acht Stunden gefahren, nur freundliche Fahrgäste gehabt. Ein guter Tag.

(RP)
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