Mönchengladbach Begehrte Wundertüte des Frischdienstes

Mönchengladbach · Dreimal in der Woche bietet das Unternehmen Kaas Lebensmittel mit kleinen Schönheitsfehlern an. Die Kunden stehen Schlange, und sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten. Was sie anlockt, sind die günstigen Preise.

 Der Lkw war da, und jetzt wissen Jolly Arndt und Ilker Catal, was sie anbieten können. Der Frischdienst Kaas verkauft dreimal in der Woche Lebensmitteln mit kleinen Schönheitsfehlern.

Der Lkw war da, und jetzt wissen Jolly Arndt und Ilker Catal, was sie anbieten können. Der Frischdienst Kaas verkauft dreimal in der Woche Lebensmitteln mit kleinen Schönheitsfehlern.

Foto: Raupold

Noch ist es leer auf dem Parkplatz vor dem Molkerei-Frischdienst Kaas an der Dorfbroicher Straße. Um halb elf fährt Filialleiter Ilker Catal vor, schließt den Lieferanteneingang auf und lässt seine Mitarbeiter Gerti Esters und Gabriele Völcker herein. Die roten Winterjacken, die sie tragen, geben ein Rätsel auf: Zwar weht ein stürmischer Wind an diesem Septembermorgen, aber kalt ist es nicht. Drinnen öffnet Ilker Catal die Tür zum Verkaufsraum. Der liegt hinter einem transparenten Kunststoffvorhang und entpuppt sich als ein riesiges Kühlhaus. Circa vier Grad herrschen hier, und jetzt machen die Winterjacken Sinn.

Seit fünf Jahren bietet der Frischdienst Kaas in Rheydt Lebensmittel an, die aus Überproduktionen namhafter Markenhersteller stammen oder kleine Schönheitsfehler aufweisen: Wie die Joghurtbecher, auf denen Erdbeerjoghurt draufsteht, in denen aber Naturjoghurt drin ist: Oder die Schokokekse, die auf einer zersplitterten Palette lagern. Und das zu Preisen, die durchschnittlich 50 bis 70 Prozent unter dem Normalpreis liegen. Die Ware wird in Kartons geliefert und angeboten.

Das spart Personal und hält die Preise niedrig. Ob Ilker Catal Antipasti und Gnocchi oder Erbsensuppe und Schinkenwurst im Sortiment haben wird, weiß er im Voraus nicht. "Es ist jedes Mal eine Überraschung, was der Lkw geladen hat", sagt er. Das ist Laura Hilden* egal. Regelmäßig kommt die 36-Jährige zum Frischdienst Kaas und nimmt mit, was im Angebot und günstig ist. "Ich richte mich halt beim Kochen danach", sagt sie. Gertrud Schmitz* hingegen kauft gezielt ein, was sie braucht: Diese Woche ist es Joghurt für die Enkelkinder. Zwanzig vor zwölf Uhr ist es mittlerweile. Die ersten Kunden warten draußen vor der Ladentür, manche haben sich in dicke Jacken gehüllt. Drinnen im Eingangsbereich bestückt Eveline Lenk die Regale mit Rosinenstuten, Graubrot und Brötchen - immer fünf in einer Tüte. Gerti Esters und Gabriele Völcker sitzen jetzt hinter der Kasse. Einen Scanner gibt es nicht, die Preise kennen sie längst auswendig. Die Winterjacken haben sie ausgezogen, denn im Kassenraum ist es warm.

Punkt zwölf Uhr öffnet Ilker Catal die Ladentür. Der Parkplatz ist rappelvoll. Mehr als 30 Kunden aller Nationalitäten, etwa die Hälfte davon Deutsche, strömen an Eveline Lenks Brottheke vorbei ins Kühlhaus. Brot kaufen sie erst zum Schluss. Immer mehr Menschen betreten den Laden, rund 150 werden es nach einer halben Stunde sein. Christel Thomas* (77) ist schnell wieder draußen. "Ich komme nur wegen der niedrigen Preise. Aber heute war nicht viel dabei, was ich brauche", sagt sie. Die Kälte stört sie nicht. Britta Jürgens*, eine gut gekleidete Mittfünfzigerin, geht es um die große Auswahl an Käse, der extra für den Lagerverkauf geschnitten und verpackt wird: "Bei den geringen Preisen macht es nichts, wenn mir eine Sorte mal nicht schmeckt", sagt sie.

Zum Supermarkt muss Britta Jürgens aber dennoch. Das sieht auch das Geschäftsmodell des Frischdiensts vor, der sich nicht als Konkurrent zum Einzelhandel versteht. Denn die Ware, die Kaas anbietet, entspricht nicht den Standards der Supermärkte. Zum Beispiel, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft. Gegen ein Uhr leert sich das Kühlhaus langsam wieder - aber nur vorübergehend. "Nach Feierabend wird es noch einmal richtig voll", sagt Ilker Catal.

* Namen von der Redaktion geändert.

(drlp)
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