Serie Gladbacher Lesebuch (7) Baden in der Zinkbütt und eine nach Jauche stinkende Schule

In jungen Jahren wurden wir Kinder freitags abends in einer Zinkbadewanne von Schmutz und Dreck befreit, welche in heißen Sommermonaten im Keller in der Waschküche aufgestellt wurde und dort mit dem zuvor in einem steinernen Waschbottich erhitztem Wasser, der durch offenes Feuer beheizt wurde, gefüllt. An den anderen Tagen diente dieser Bottich den Müttern unseres Hauses zum Kochen der schmutzigen Wäsche.

 Links zweigt der Grotherather Berg ab. Geradeaus ist der unbefestigte Weg über den Bahnübergang. Rechts steht heute das Schulzentrum.

Links zweigt der Grotherather Berg ab. Geradeaus ist der unbefestigte Weg über den Bahnübergang. Rechts steht heute das Schulzentrum.

Foto: Achim Vieten

Meine Mutter besaß eine Waschmaschine, in deren Mitte sich ein handbetriebener dreiflügeliger Arm hin und her bewegte, um die Wäsche im Wasser zu bewegen. Später wurde der Handbetrieb durch einen Elektromotor ersetzt, was eine Erleichterung für unsere Mutter bedeutete. Im Winter schleppte mein Vater die Zinkwanne aus dem Keller in die durch einen Holzofen mit Kochplatten beheizte Küche in der ersten Etage. Auf diesem Ofen wurde in einem großen Kessel, der im Sommer zum Einkochen der Obst und Gemüsegläser verwendet wurde, Wasser erhitzt und dann in die "Zinkbütt" geschüttet. Böse Zungen behaupteten, dass die Kinder zum Schluss im Wasser gebadet wurden, in dem zuvor die Eltern gebadet hatten. Dies war bei uns definitiv nicht der Fall. Aber dass ich mit meiner zwei Jahre später geboren Schwester so manche Wasserschlacht gemeinsam darin verbracht habe, muss ich zugeben. Später wurde die "Zinkbütt" durch ein kleines, feines Badezimmer ersetzt.

Weil ab 1969 das Fernsehprogramm umfangreicher wurde, man hatte immerhin drei Kanäle, die von 17 Uhr bis Mitternacht sendeten, wurde für uns Kinder auch ein Fernseher angeschafft, der im Kinderzimmer stand. Darin wurde samstags um 17.45 Uhr Daktari und danach die Hitparade geschaut, während mein Vater im Wohnzimmer die Sportschau verfolgte. Meine Mutter erzählte immer davon, dass die Familie schon 1954 zur Fussballweltmeisterschaft den ersten Apparat besaß und dass zu den Spielen der deutschen Mannschaft die Küche wie auch das Wohnzimmer für die Familie und die ganze Nachbarschaft zum Kinosaal wurde.

Die ersten Jahre meiner Schulzeit verbrachte ich an der Grundschule Rheindahlen bei Frau Lucas und später bei Herrn Glattback. Bei Frau Lucas herrschte Zucht und Ordnung, und wer sich nicht daran hielt, wurde schon einmal an den Ohren gezogen aufgefordert, Rechenaufgaben an der Tafel zu lösen. Bei Lehrer Glattback, einem gebürtigen Engländer, lernten wir in jungen Jahren englische Vokabeln, um daraus kleine Sätze in seiner Muttersprache zu bilden.

Zur Schule wurde durchs Feld gegangen. Dies bedeutete, man überquerte den Bahnübergang an der Hermann-Ehlers-Straße und folgte danach einem kleinen Weg entlang der sogenannten Kappes-Sou bis zur Schirmfabrik Junkers an der Feuerwehr. Dort befindet sich heute das Gymnasium. Die Kappes-Sou, normalerweise nur ein kleiner, offener Graben, der nur manchmal ein wenig Wasser führte, wurde aber zu einem stinkenden, gut gefüllten Abwasserkanal, wenn die Sauerkrautfabriken in Voosen "Kappes" herstellten und ihre Abwässer durch den Graben bis nach Rheindahlen in die Kanalisation leiteten. Da wir unseren Schulweg durch einen Sprung über besagten Graben abkürzten, konnte es bei feuchtem Wetter passieren, dass man abrutschte und bis zu den Knöcheln in der stinkenden Jauche landete. An diesen Tagen verbreitete sich in der Schulklasse immer ein seltsamer Geruch von Sauerkraut und Jauche.

(RP)
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