Mönchengladbach Außenseiter kontra Dorfgemeinschaft

Mönchengladbach · Nach 22 Jahren wird in Mönchengladbach eine Neuinszenierung der Oper "Peter Grimes" von Benjamin Britten vorgestellt. Roman Hovenbitzer führt Regie, die musikalische Leitung hat Mihkel Kütson. Ein Gast singt die Titelrolle.

 Für beide wird es Samstag ein Debüt im Theater Mönchengladbach: Roman Hovenbitzer (li.) inszeniert erstmals die Oper "Peter Grimes" von Britten, und Heiko Börner singt zum ersten Mal die Titelrolle bei einer Aufführung.

Für beide wird es Samstag ein Debüt im Theater Mönchengladbach: Roman Hovenbitzer (li.) inszeniert erstmals die Oper "Peter Grimes" von Britten, und Heiko Börner singt zum ersten Mal die Titelrolle bei einer Aufführung.

Foto: Detlef Ilgner

Während der "Ära Gramss" - die Intendanz 1985 bis 1991 unter Eike Gramss in Krefeld/Mönchengladbach - hat Roman Hovenbitzer seine ersten prägenden Eindrücke an modernem Musiktheater aufgenommen. Daran erinnerte im Gespräch der 1972 in Moers geborene Regisseur, der an ein Musikstudium einen Regie-Studiengang bei Götz Friedrich in Hamburg anfügte. "Damals lernte ich dort Uwe Schwarz kennen, der in der Regieklasse mein Lehrer war." Schwarz wurde Anfang der 1990er-Jahre Opernspielleiter am Gemeinschaftstheater. Und inszenierte 1993 hier die tragische Oper "Peter Grimes" von Benjamin Britten (1913-76); damals war Wolfgang Gropper Intendant am Niederrhein. Vize-GMD Neville Dove hatte die musikalische Leitung.

22 Jahre später ist es an Roman Hovenbitzer und GMD Mihkel Kütson, die dreiaktige Oper um das bleibend aktuelle Thema "Individuum und Masse" (Hovenbitzer) oder "Außenseiter kontra Dorfgemeinschaft" in Rheydt zu erarbeiten. Basierend auf einem Poem des englischen Dichters George Crabbe ließ der Komponist ein Libretto erstellen, das er vertonte. So meisterhaft, dass der damals gerade mal 32-jährige alte Britten mit "Peter Grimes" den internationalen Durchbruch erreichte.

In einem "Borough", einer kleinen Stadtgemeinde an der Küste von Suffolk, wo auch der Komponist aufgewachsen ist, muss sich der Fischer Peter Grimes für den Tod eines Schiffsjungen, den er zur Ausbildung im Haushalt hatte, verantworten. Es bleibt ungeklärt, ob der raubeinige, grobe Seemann schuld ist am Tod des Auszubildenden. Dennoch fällt die Dorfgemeinschaft dazu ihr Urteil, nachdem ein zweiter Junge Spuren von Misshandlungen aufweist. Nur wenige halten noch zu Grimes, darunter die verwitwete Lehrerin Ellen Orford. Dagegen intrigieren besonders infam der Dorfpfarrer Adams, der Laienprediger Boles und der Bürgermeister gegen Grimes.

"Die Handlung hat eine fast kafkaeske Grundlage", findet Hovenbitzer. "Üble Gerüchte reichen in dieser Situation aus, um den Außenseiter zum Sündenbock zu stempeln." Er finde diesen Mechanismus so spannend, dass er darin Zusammenhänge mit der in England sehr beliebten Variante des Kasperletheaters, der Punch & Judy Show, erkenne. Elemente dieser Theaterform, die Figuren grobschlächtig und schablonenhaft zeichnet, spiegelt Roy Spahns Bühnenraum: "Es ist eine riesengroße Box, eine Art Käfig, in dem Grimes gefangen ist", erklärt Hovenbitzer. Peter Grimes sei "dazu verurteilt, verurteilt zu werden, es geht nicht um das Ob, sondern nur um das Wann", fasst der Regisseur die Aussichtslosigkeit der Lage von Grimes zusammen.

Die Titelrolle singt ein Gast, der als Peter Grimes sein Debüt geben wird: Der aus dem Taunus stammende Tenor Heiko Börner singt und spielt den Fischer Peter Grimes. "Ich habe von Britten bereits den Aschenbach in ,Tod in Venedig' gesungen", berichtet der 49-Jährige, der erst auf Umwegen zu einer Sängerlaufbahn fand.

Der Handlung gemäß spielt der große, gemischte Chor eine Hauptrolle im Stück. Davon konnten Besucher einer Soiree, die anschließend eine Bühnen-Orchester-Probe des Schlussaktes der Oper im Theatersaal verfolgen durften, einen nachhaltigen Eindruck gewinnen.

(RP)
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