Mönchengladbach Antibiotika werden oft falsch dosiert

Mönchengladbach · Die Parlamentarische Staatssekretärin Fischbach informierte sich im Labor Dr. Stein über die Antibiotika-Problematik: Durch exzessiven Einsatz können Resistenzen entstehen. Zudem sind unerwünschte Nebenwirkungen möglich.

 E.-coli-Bakterien auf der Darmschleimhaut. Werden Antibiotika zu leichtfertig verschrieben, können Bakterien Resistenzen dagegen entwickeln.

E.-coli-Bakterien auf der Darmschleimhaut. Werden Antibiotika zu leichtfertig verschrieben, können Bakterien Resistenzen dagegen entwickeln.

Foto: imago

Antibiotika sind eine Wunderwaffe der Medizin, aber eine, die langsam stumpf wird. Immer häufiger treten Probleme mit multiresistenten Keimen auf, Keime, die gar nicht mehr oder nur noch auf ganz wenige Antibiotika reagieren. Das ist ein Problem, das nicht nur die Mediziner umtreibt, sondern auch in der Politik in den Blick genommen wird, unter anderem im zuständigen Gesundheitsministerium. Dessen Parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach besuchte jetzt zu einem Fachgespräch über Infektionskrankheiten und Antibiotika das Labor Dr. Stein + Kollegen in Hardt. Es ist die größte und modernste Einrichtung für Labormedizin in Nordrhein-Westfalen.

Das Labor bearbeitet die Proben von täglich bis zu 20.000 Patienten. Es werden klinisch-chemische und hämatologische Standardtests, aber auch mikrobiologische und infektiologische Spezialuntersuchungen durchgeführt. Krankenhäuser und Praxen erhalten nicht nur die Laborergebnisse, sie werden von den medizinischen Spezialisten auch bei der Wahl der Therapie beraten.

Professor Dr. Wiltrud Kalka-Moll vom MVZ Dr. Stein + Kollegen ist Mikrobiologin und Infektiologin. Sie hält den Einsatz der vielen Antibiotika in Praxen und Kliniken für oft leichtfertig. "In Deutschland werden jedes Jahr bis zu achthundert Tonnen Antibiotika verordnet", erklärt sie im Fachgespräch mit der Staatssekretärin. Insgesamt gebe es 38 Millionen Verordnungen im Jahr, und der Verbrauch sei weiter steigend. Wenig beneidenswerter Spitzenreiter beim Verbrauch von Antibiotika in Deutschland ist übrigens Nordrhein-Westfalen. Dabei weiß man seit langem, dass Antibiotika nicht nur unerwünschte Nebenwirkungen wie die Zerstörung des Mikrobioms haben, sondern auch durch exzessiven Einsatz zu Resistenzen führen.

Dennoch, so führt Prof. Kalka-Moll aus, werden Patienten damit überversorgt. Obwohl beispielsweise nur bei weniger als 30 Prozent der Bronchitis-Fälle ein Antibiotikum sinnvoll eingesetzt werden kann, erhalten sechzig Prozent der Patienten eines. "Die Überversorgung basiert auf Unkenntnis der medizinischen Leitlinien", sagt die Medizinerin. Weiterbildung tut not, aber auch eine Weiterentwicklung der Leitlinien. "Es gibt keine Negativempfehlungen", sagt Kalka-Moll. Das heißt, dass nicht explizit gesagt wird, dass bei bestimmten Krankheiten oder Ausprägungen der Krankheit auf Antibiotika verzichtet werden sollte.

Außerdem werden häufig die falschen Antibiotika eingesetzt oder die Medikamente werden falsch dosiert. "In 35 Prozent der Fälle im Krankenhaus liegt eine falsche Dosierung vor", sagt die Expertin. Das hat auch ökonomische Folgen. Pro hundert Betten kommt es zu einem wirtschaftlichen Verlust von 200.000 Euro.

Um den Verbrauch von Antibiotika zu senken, wäre ein Bündel von Maßnahmen nötig. Unter anderem rät Wiltrud Kalka-Moll zu patientengebundenen Medikamentenanforderungen in Krankenhäusern. Das heißt, jeder Patient erhält ein für seine Erkrankung empfohlenes Antibiotikum und nicht wie jetzt eines, das gerade in der ganzen Abteilung verwendet wird. Auch Patientenaufklärung sei empfehlenswert. In Frankreich habe man mit einer Kampagne den Verbrauch um 25 Prozent senken können. Die Überarbeitung der medizinischen Leitlinien, der Ausbau der externen Beratung durch Mikrobiologen und die konkrete Erfassung des Verbrauchs sind weitere Möglichkeiten.

(RP)
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