Mönchengladbach Anlaufstelle in der Not

Mönchengladbach · Bis zu 150 Patienten werden täglich in der Notfallambulanz des Elisabeth-Krankenhauses in Rheydt versorgt. Viele von ihnen hätten auch zum Hausarzt gehen können. Stattdessen kommen sie wegen Schlafstörungen und Fußpilz.

 Notfallambulanz rund um die Uhr: Bald soll es einen Triage-Raum geben, in dem die Dringlichkeit jedes Falles zunächst eingeschätzt wird.

Notfallambulanz rund um die Uhr: Bald soll es einen Triage-Raum geben, in dem die Dringlichkeit jedes Falles zunächst eingeschätzt wird.

Foto: Rietdorf (3)

Um kurz vor zwölf am Montag stehen die Menschen Schlange vor der Notfall-Ambulanz der Städtischen Kliniken. Es ist voll. So voll, dass eine Mutter mit ihrem Grundschulkind wieder umdreht. "Komm, so lange warten wir nicht. Wir gehen zu einem anderen Arzt." Warum sie dann überhaupt zur Notfallambulanz kommt, bleibt ihr Geheimnis.

Aber sie ist beileibe nicht die Einzige, die die Anlaufstelle, die eigentlich für Notfälle gedacht ist, als Ersatz für die Arztpraxis nutzt." Zwei Drittel der Patienten könnten genauso gut zu ihrem Hausarzt gehen", schätzt Unfallchirurg Daniel Crnkovic. Stattdessen sorgen sie für überfüllte Ambulanzen und finanzielle Probleme in den Krankenhäusern.

 Hinter vielen Symptomen kann eine infektiöse Krankheit stecken. Schutzkleidung ist Pflicht.

Hinter vielen Symptomen kann eine infektiöse Krankheit stecken. Schutzkleidung ist Pflicht.

Foto: Angela Rietdorf

In der Notfallambulanz in Rheydt herrscht an diesem Montagmittag hektische Betriebsamkeit: Ein Rettungswagen der Feuerwehr hat einen Schüler eingeliefert, der in der Schule zusammengebrochen ist. In einem anderen Zimmer wird eine Patientin untersucht, die von ihrem Hausarzt geschickt wurde, weil sie unter Durchfall leidet. Da es sich um eine infektiöse Krankheit handeln könnte, werden Vorsichtsmaßnahmen getroffen und die Krankenschwester legt Schutzkleidung an. Über den Gang humpelt ein junger Mann, der sich am Fuß verletzt hat und jetzt zum Röntgen soll. In einem weiteren Behandlungsraum untersucht ein hinzu gerufener Kardiologe einen Patienten, der über Herzprobleme klagt.

Der Unfallchirurg sieht sich Platzwunden an, lässt Hände röntgen und soll Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. Alltag in der Notaufnahme des "Eli" - ein eher ruhiger Tag. Die Notfallmediziner und das Pflegepersonal sind aber auf alles vorbereitet: Es gibt einen Schockraum, in dem Unfallopfer versorgt werden, einen Raum, in dem Gipsverbände angelegt werden, einen Raum zur Reanimation. Ein weiteres Zimmer soll in Zukunft als Triage-Raum dienen. Dort findet dann die Ersteinschätzung über den Patienten statt: Nach einem bestimmten System wird die Dringlichkeit der Behandlung festgelegt.

 Nicht selten lassen sich Patienten vom Rettungsdienst abholen, weil sie kein Geld fürs Taxi zahlen wollen.

Nicht selten lassen sich Patienten vom Rettungsdienst abholen, weil sie kein Geld fürs Taxi zahlen wollen.

Foto: Angela Rietdorf

Und die Dringlichkeit unterscheidet sich von Patient zu Patient ausgesprochen stark. Denn viele Patienten kommen anscheinend prinzipiell in die Notaufnahme - nicht weil sie sich in einer Notsituation befinden, sondern weil es als besonders praktisch empfinden. Schließlich ist rund um die Uhr jemand da.

Eine Patientin kommt am Sonntagnachmittag, obwohl sie schon am Dienstag mit dem Fuß umgeknickt ist. In der Woche habe sie keine Zeit, zum Arzt zu gehen, erklärt sie. Ein Patient kommt nachts um drei - er hat Fußpilz. Ein anderer verspürt nach dem Essen "ein Klopfen im großen Zeh" und steht dann abends in der Notaufnahme. Auch seit vierzehn Tagen anhaltende Schlafstörungen treiben so manchen zu den Notfallmedizinern - wahrscheinlich damit auch diese nicht schlafen können. Die ganz Dreisten lassen sich bei solchen Bagatellfällen auch noch mit dem Rettungswagen abholen, weil sie kein Geld fürs Taxi ausgeben wollen.

"Wir erleben täglich solche Fälle", sagt Schwester Brigitte, seit mehr als dreißig Jahren Krankenschwester in der Notfallambulanz. Man wäre geneigt zu lachen, wenn es nicht so kostspielig wäre: der Einsatz der Rettungswagen, des Pflegepersonals und der Notfallmediziner.

Umso trauriger, dass die, die sich mit viel Engagement um die Notfallpatienten kümmern, auch noch Aggressionen und Verbalattacken ausgesetzt sind. "Die Aggressionen nehmen von Jahr zu Jahr zu", sagt Schwester Brigitte. "Und meistens werden auch noch die Leute aggressiv, die mit Bagatellen kommen."

"Die Gewaltbereitschaft ist sehr hoch", bestätigt Schwester Alexandra, die stellvertretende Stationsleitung. "Wir werden zum Teil aufs Übelste beschimpft und es gibt kaum Verständnis dafür, dass Schwerkranke schneller behandelt werden." Um für Ruhe zu sorgen, ist ein Sicherheitsdienst im Krankenhaus. Darüber sei man sehr froh, sagt die Krankenschwester. Trotz allem: Das Team in der Notfallambulanz liebt seine Arbeit. "Die Pflege ist ein sehr schöner Beruf", sagt Schwester Alexandra voller Überzeugung.

(arie)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort