Redaktionsgespräch Barbara Schwinges Anfangs wurden "Ilovemg"-Produkte belächelt

Mönchengladbach · Barbara Schwinges, Projektleiterin der Schauzeit in Rheydt und Designerin, über das stärkste Argument für Zwischennutzung, das Bedürfnis, Heimatliebe nach außen zu tragen und den rheinischen Humor.

 Viele zeigen in diesen T-Shirts Heimatliebe.

Viele zeigen in diesen T-Shirts Heimatliebe.

Foto: Raupold Isabella

Frau Schwinges, Sie haben die Schauzeit in Rheydt organisiert und Vermieter überzeugt, ihre Ladenlokale kostenlos für die Zwischennutzung zur Verfügung zu stellen. Wie schwierig ist es eigentlich, den Kontakt zu den Vermietern herzustellen?

Schwinges Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Immobiliengesellschaften, die im Ausland ansässig sind, da ist es natürlich schwieriger. Aber in Rheydt gibt es auch etliche Privateigentümer. Eigentlich ist die ganze Bandbreite von Möglichkeiten vertreten. Einige Vermieter sind schnell zu gewinnen, bei anderen sind monatelange Verhandlungen nötig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es den meisten wichtig ist, einen persönlichen Ansprechpartner zu haben, jemanden, der ein Ohr für sie hat. Dann kann es gut funktionieren.

 Barbara Schwinges, Projektleiterin der Schauzeit in Rheydt, fühlt sich verbunden mit ihrer Stadt Mönchengladbach.

Barbara Schwinges, Projektleiterin der Schauzeit in Rheydt, fühlt sich verbunden mit ihrer Stadt Mönchengladbach.

Foto: Isabella Raupold (2)/Detlef Ilgner/Schwinges

Welches ist Ihr stärkstes Argument, wenn Sie mit den Eigentümern sprechen?

Schwinges Die Schauzeit ist ein großartiges Marketinginstrument. Man kann die Ladenlokale von innen einer großen Öffentlichkeit zeigen. Und die Räume sehen hinterher schöner aus als vorher, denn die Aussteller gestalten sie neu und kreativ und reinigen die oft jahrelang ungenutzten Räume natürlich. Im Allgemeinen ist das es eher umgekehrt, und viele Eigentümer haben auch häufig schlechte Erfahrungen gemacht. Aber bei der Schauzeit ist es anders.

 Die Modedesignerin Barbara Schwinges bei der Ateliersarbeit.

Die Modedesignerin Barbara Schwinges bei der Ateliersarbeit.

Foto: Ilgner Detlef

Bei der vorhergehenden Schauzeit sind aus einigen Zwischennutzungen dauerhafte Mietverträge entstanden. Ist das diesmal wieder so?

Schwinges Ja, in vier Fällen laufen noch Verhandlungen, das ist sehr spannend. Aber es gibt auch schon einen konkreten Fall, in dem sicher ist, dass die Zwischennutzung zu einer Dauereinrichtung wird: "gloRY" (Growth & Gamification Laboratory Rheydt) von Roland Weiniger ist Innovationszentrum, Realschmiede und Ideenwerkstatt. Hier werden Geschäfts- und Projektideen ausprobiert und erdacht. Roland Weiniger kommt eigentlich aus der Spieleentwicklung und bringt frische und innovative Ideen mit. Er wird in den Räumlichkeiten bleiben.

Woher bekommen Sie die Bewerber für die Schauzeit? Sie kommen selbst aus dem Kreativbereich. Sprechen Sie Bekannte und Freunde an?

Schwinges Ja, ich spreche natürlich auch Leute an, die ich kenne, aber vor allem gab es den Bewerbungsaufruf, der bis Ende Juni lief. Man konnte sich mit seinen Ideen und Projekten bewerben. Diesmal waren auch gleich mehrere Initiativen unter den Bewerbern, das hatten wir letztes Mal in dem Umfang noch nicht. Es gab zudem über fünfzig Programmpunkte, eine große Bereicherung für das ganze Quartier, denn die Schauzeit ist auch ein soziales und kulturelles Projekt zur Belebung von Rheydt.

Wie viele Bewerber gab es? Und welche Resonanz bekommen Sie?

Schwinges Wir hatten die gleiche Anzahl von Bewerbungen wie in 2015 - mehr als 50 - und 14 Leerstände. Das passte sehr gut, und so konnten wir vielen Bewerbern einen Standort zusagen. Die Resonanz bei den Besuchern und ansässigen Rheydtern ist unterschiedlich: Viele finden die Schauzeit toll, aber es gibt auch Skeptiker. Dahinter steckt oft jahrelang gewachsener Frust, so dass auch in diese Richtung Zuspruch erfolgen muss, nicht nur bei den Leerstandseigentümern. Insgesamt erlebt die kreative Szene in Mönchengladbach ja großen Aufwind, und das führt zu einer echt guten Stadtentwicklung.

Diese kreative Szene erschien scheinbar plötzlich auf dem Plan. Oder hatten wir sie nur einfach lange Zeit nicht im Blick?

Schwinges Ich glaube, das Kreativnetzwerk Apparillo, initiiert von der Wirtschaftsförderung, stand am Anfang der Entwicklung. Diese Vernetzung der Kreativen untereinander hat viel gebracht. Wenige Jahre später erwuchs dann aus dem Fachbereich Kulturpädagogik der Hochschule eine große, freie und kreative Szene. Und das Engagement und die Unterstützung des städtischen Kulturbüros haben in den letzten zehn Jahren einen großen Beitrag in dieser Entwicklung geleistet.

Sie sind selbst Modedesignerin. Haben Sie noch genug Zeit für neue Kollektionen?

Schwinges Ich habe weiter ein Atelier, aber derzeit keine neue Kollektion. Während der Schauzeit lag der Fokus woanders. Außerdem verlangt die Familie ihr Recht: Ich habe einen zweijährigen Sohn und erwarte im Januar Zwillinge.

Herzlichen Glückwunsch! Wie managen Sie denn Familie und Berufsleben? Ihr Mann Roland Wolff ist als Musiker auch viel unterwegs.

Schwinges Ich empfinde die Art, wie wir Familie und Beruf vereinen können, als Luxus, nicht als Last. Die Verbindung macht alles sehr viel schöner.

Ist Ihr Sohn denn schon kreativ unterwegs?

Schwinges (lacht) Er mag Musik sehr. Tutti Frutti von Little Richard ist sein Lieblingslied.

Ihr Mann ist als Musiker in Japan und Korea bekannt.

Schwinges Ja, das stimmt, aber er ist nicht mehr so viel unterwegs. Er hat gerade eine neue CD auf den Weg gebracht.

Sie haben vor Jahren mit einer Kollektion aus Bergarbeitersachen auf sich aufmerksam gemacht.

Schwinges Ich komme aus Hückelhoven und habe die stillgelegte Zeche Sophia Jacoba als sehr berührenden Ort kennengelernt. So ist damals die Idee für die Kollektion entstanden.

Sie zeichnen auch für die "Ilovemg"-Kollektion verantwortlich. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Schwinges Das hat sich entwickelt. Ich wollte nach dem Studium 2007 etwas gemeinsam mit meinem Designer-Freund Co°kun Saglam machen. So sind die ersten "Ilovemg"-Produkte entstanden. Die ersten Reaktionen waren allerdings für uns, die wir zum Studium nach Mönchengladbach gezogen waren, unerwartet: Wir sind für die "Ilovemg"-Produkte belächelt worden oder waren in einer Rechtfertigungsposition. Es gab auch etliche, die die Aussage für Ironie hielten. Das hat sich großartigerweise aber komplett gedreht. Es ist inzwischen so viel Positives in der Stadtentwicklung sichtbar geworden. Und es gibt ein großes Bedürfnis, Heimatliebe nach außen zu zeigen.

Es gab auch das Projekt, Fotos mit MG-T-Shirts aus aller Welt einzusenden. Was für Motive haben Sie da bekommen?

Schwinges Das war sehr interessant. Wir haben Fotos aus allen Kontinenten bekommen, Aufnahmen aus Australien, Kanada, Japan. Es sind übrigens oft zugezogene Mönchengladbacher, die sich mit ihrer Wahlheimat unbeschwerter identifizieren und diese Produkte häufig kaufen und tragen.

Was lieben Sie an Mönchengladbach am meisten?

Schwinges Die Menschen hier. Ich schätze den rheinischen Humor, die Möglichkeit, schnell miteinander ins Gespräch zu kommen. Und die Offenheit der Menschen. Ich habe es durch meinen Beruf aber auch leicht, viele Menschen kennenzulernen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN GABI PETERS UND ANGELA RIETDORF

(arie)
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