Mensch Gladbach Alles wächst

Mönchengladbach · Im Rathaus regiert das Konzept der wachsenden Stadt. Das ist auch gut so, denn es bringt Mönchengladbach nach vorne. Damit wachsen aber auch die Herausforderungen - bei Kinderbetreuung, Schülerzahlen und Verkehr.

Mensch Gladbach: Alles wächst
Foto: Jana Bauch

Es kommt nicht oft vor, dass die Publikumsplätze in Sitzungen politischer Gremien dicht gefüllt sind. Noch seltener demonstrieren Eltern dort ihren Protest. Im Schulausschuss ist diese Woche genau das passiert. Auslöser war die Situation an einer Grundschule in Venn. Dort fehlten für das Schuljahr, das im Sommer beginnt, 80 Plätze beim Offenen Ganztag. Einige der betroffenen Eltern stellte das vor massive Probleme: Sind ihre Sprösslinge bisher im Kindergarten den Tag über betreut, schien das mit der Einschulung nicht mehr möglich zu sein. Mit dem Beruf ist das schwer vereinbar. Der Schuldezernent Gert Fischer präsentierte zwar rasch eine Lösung. Deutlich wurde aber ein grundsätzliches Problem, das sich noch verschärfen wird: Der Aufwind Mönchengladbachs trägt viele Herausforderungen mit sich.

Die Strategie "MG + - Wachsende Stadt" regiert seit einigen Jahren im Rathaus. Vorangetrieben von dem agilen Planungsdezernenten Gregor Bonin, flankiert von der breiten Mehrheit der Groko. Vorweg: Das Konzept ist richtig, denn es wird die Stadt nach vorne bringen. In die neuen Wohngebiete wird ein Mix aus jungen Familien und älteren Menschen aus der Mittelschicht einziehen. Durch Neuansiedlungen beim Gewerbe entstehen Arbeitsplätze (nicht immer hoch bezahlte, aber immerhin ...). An vielen Stellen bekommt Mönchengladbach ein attraktiveres Gesicht.

Aber: Das Tempo muss stimmen. Denn in einer wachsenden Stadt wächst eben alles. Je mehr junge Familien hierherziehen, desto mehr Schulräume und Betreuungsplätze für Kinder sind nötig. Bereits jetzt kommt das Rathaus mit dem Bau von Kita-Plätzen kaum hinterher - und das, obwohl die Investitionssumme gerade um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag erhöht worden ist. "Ich erschrecke schon, wenn ich eine Schwangere sehe", hat einer der Planer neulich in einer Sitzung gesagt. Nicht ganz ernst gemeint, aber auch nicht aus der Luft gegriffen. Die Nachfrage nach Betreuungsplätzen übertrifft regelmäßig jede Prognose. Die Bauverwaltung wurde deshalb personell aufgestockt. Doch selbst wenn die Gebäude stehen, bleibt die Frage, wer die lieben Kleinen betreuen soll. Bei Erzieherinnen herrscht bundesweit Fachkräftemangel.

Eine wachsende Stadt wirkt sich auch auf den Verkehr aus. Mehr Menschen (ob Einwohner oder Arbeitskräfte) bedeuten mehr Autos, mehr Stau, mehr Parkplatzbedarf. Busse und Bahnen stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Das Radwegenetz muss deutlich ausgebaut und sicherer werden, damit mehr Autofahrer bereit sind, auf das Fahrrad umzusteigen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

All das kostet natürlich Geld, von dem die nach wie vor hochverschuldete Stadt zu wenig hat. Und die Mehreinnahmen der wachsenden Stadt werden die Lücke vorerst wohl nicht decken.

Im Blick behalten müssen die Verantwortlichen im Rathaus auch, dass Wohnen in Mönchengladbach für alle erschwinglich bleibt. In Städten wie Köln oder Düsseldorf können sich ganz normale Arbeitnehmer wie Krankenschwestern oder Polizisten die Mieten in vielen Vierteln nicht mehr leisten. Diese Gefahr gibt es in Gladbach noch nicht, jedoch muss die Stadt gegensteuern, selbst bauen und Investoren auch Vorgaben machen.

Selbstbewusst auftreten sollte die wachsende Stadt nämlich. Und das sind doch schöne Aussichten.

(dr)
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