Serie Was Macht Eigentlich? Abenteuer und geplatzte Träume

Mönchengladbach · Mit 17 Jahren aus dem Kriegsgefangenenlager geflohen, mit 23 um die Teilnahme an Olympia "gebracht", als reifer Mann Löwen und Grizzlys "ins Auge geblickt": Hellmuth Wallbaum hat viel erlebt. Mit 89 muss er nun seinen Traum vom Olympiabrunnen in Rheydt beenden.

Was macht Hellmuth Wallbaum heute?
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Foto: Laura Schameitat

Dienstag- und donnerstagnachmittags trifft man Hellmuth Wallbaum meist auf dem Rheydter Marktplatz. Bei den ein bis zwei Dutzend Männern oder auch mal noch mehr, die einen Kugelwurf vom Ratskeller entfernt ein Spiel betreiben, das vor allem aus Südfrankreich bekannt ist: Boule. Ein Freizeitspiel mit Kugeln, ähnlich dem italienischen Boccia. "Dies ist für viele eine Möglichkeit, im Alter noch ein wenig Sport zu treiben", sagt der 89-Jährige. Er hat den Treff organisiert, als die Renovierung des Marktplatzes fertig war. Und auch ihm allmählich klar wurde, dass sein großer Traum ein Traum bleiben würde: der "Olympiabrunnen" an eben dieser Stelle.

Hellmuth Wallbaum, gebürtiger Düsseldorfer und seit 1956 Rheydter, hat einige Träume gehabt in seinem Leben. Der größte war der von der Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1952 in Helsinki, im Boot des Wasser-Sport Verein Düsseldorfer Rudergesellschaft. Doch der Vierer ohne Steuermann wurde um sein größtes Erlebnis gebracht: "Wir hatten die Olympia-Ausscheidung in Mannheim gegen die Rudergemeinschaft Flörsheim-Rüsselsheim gewonnen - und bekamen dann doch nicht die Fahrkarte nach Helsinki", erzählt er. "Der Deutsche Ruderverband hat anders entschieden."

Dass damals im Rüsselsheimer Achter Georg von Opel aus der Rüsselsheimer Auto-Dynastie saß, Vizepräsident des Deutschen Ruderverbandes, 1951 Mitbegründer und später Präsident der Deutschen Olympischen Gesellschaft - darüber mag Wallbaum nicht groß reden. Der Rüsselsheimer Vierer ist im Übrigen dann auch nicht in Helsinki gestartet. Erst im Nachhinein wurde 1953 im Rahmen der "Pillenaffäre", bekannt, dass den Männern im Rüsselsheimer Achter 1952 vom Sportarzt ein Testosteron-Präparat gegeben worden war - nicht zur Leistungs-, sondern zur Potenzsteigerung, wie es genannt wurde. Der Achter hat damals übrigens die Olympia-Qualifikation gegen das Kölner Boot verloren.

Hellmuth Wallbaum mit seinen Düsseldorfer Kollegen im Vierer ohne Steuermann blieb ein Trost: "Über Ausbootungen wie unsere wurde damals noch kein so großes Theater gemacht. Und im Anschluss an Helsinki haben wir dann die Nacholympische Regatta auf dem Baldeneysee in Essen gewonnen. Da es damals noch keine WM gab, waren wir so etwas wie inoffizieller Weltmeister." Er fuhr fortan Einer-Rennen, ebenfalls erfolgreich. Bis eine schwere, sehr schmerzhafte Sehnenscheidenentzündung seine Karriere als aktiver Ruderer ("Ich war Hochleistungssportler, habe fünfmal die Woche trainiert") beendete.

Dem Rudern aber blieb Wallbaum noch viele Jahre verbunden: Er gründete 1956 den Düsseldorfer Regattaverein mit, leitete viele Jahre die Ruderschule Wedau. Und startete eine neue Karriere im Deutschen Ruderverband: als nationaler und internationaler Schiedsrichter, zehn Jahre lang. "Ich war deutscher Delegationsleiter und auch Schiedsrichter bei einigen Europameisterschaften und Weltmeisterschaften sowie den Olympischen Spielen 1960 in Rom", erzählt Wallbaum.

Erzählen kann der gelernte Verkäufer (zuerst Feinkost im Düsseldorfer Familiengeschäft, dann Registrierkassen und Buchungsmaschinen für die aufkommenden Selbstbedienungsläden, danach Waschmittel, schließlich Automobile) sehr gut. Und er erzählt, wie er zum Rudern gekommen ist: "Mit 14 war ich in Düsseldorf bei der Marine-Hitlerjugend. Und sah, wie im Hafen die Ruderer trainierten. Das hat mich fasziniert, ich habe jeden Lehrgang, der geboten wurde, mitgemacht. Nach dem Krieg habe ich meine Lehre im elterlichen Feinkostgeschäft zu Ende gebracht, den teilweise zerstörten Laden wieder aufgebaut. Und bin abends zum Training bei der Düsseldorfer Rudergesellschaft gegangen." So begann seine Laufbahn als Ruderer.

1956 fand Hellmuth Wallbaum auch einen neuen, aktiven Sport für sich: Tennis. Er war beruflich bei Mercedes Wilberz in Gladbach gelandet und von einem Kunden zur TG Rot-Weiß am Bunten Garten mitgenommen worden. "Ich wollte es zuerst gar nicht glauben. Aber beim Tennis habe ich nichts mehr von meiner Sehnenscheidenentzündung gespürt. Ich wurde auch hier recht erfolgreich, war später wiederholt bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften und dort einmal sogar in der Altersklasse ab 60 Jahren Vizemeister im Doppel - nach drei Herzinfarkten, die ich 1970 hatte."

Zwei Jahre später entdeckte er noch einen Sport für sich: Reiten. "Ich hatte zwei erfolgreiche Springpferde, startete bei Turnieren. Als sie 1980 zu alt für den Sport waren, wollte ich mir kein neues mehr kaufen, das 10.000 Mark gekostet hätte." So machte er Schluss mit Reiten.

Und widmete sich intensiver neuen Hobbys. Als begeisterter Fotograf ist er seit 1979 im Gladbacher Klub "Kamera Aktiv" beziehungsweise Filmclub "Objektiv". Dies passt wunderbar zum Reisen, das ihn ("meist mit meiner Frau Elisabeth") quer durch die Welt geführt hat. "Abenteuer rund um die Welt", hat Hellmuth Wallbaum auf eine bunte Karte geschrieben, auf der folgende Länder stehen, die er besucht hat: Alaska, Brasilien, Frankreich, Griechenland, Italien, Kanada, Kenia, Marokko, Norwegen, Polen, Portugal, Russland, Spanien, Thailand, Türkei und USA stehen darauf.

Er hat etliche Filme gedreht, von denen der über Alaska und die Aleuten auch im Fernsehen gezeigt worden ist. Auf der Jagd nach spektakulären Bildern geriet Hellmuth Wallbaum dann auch schon mal in nicht ungefährliche Situationen: "Da steht man plötzlich einem Löwen oder Elefanten gegenüber. Oder Auge in Auge einem Grizzly, der im Wasser steht, aber zum Glück nur eines wirklich im Blick hat: Den Lachs, den er fangen will."

(RP)
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