Adventsreihe Haltepunkte (1) Wo sich Hektik und Ruhe treffen

Mettmann · Region Der Dezember ist da, Weihnachten rückt immer näher und so ganz allmählich wächst die Vorfreude auf das wohl beliebteste Familienfest in Deutschland. Doch Weihnachten ist mehr als nur Geschenke, rote Kerzen, Lebkuchen und Glühwein - vielmehr wird es Zeit, in einer gefühlt immer hektischer werdenden Welt zu entschleunigen. Vielleicht auch an einem Ort, an dem das notgedrungen der Fall ist.

 .Komm, wir gehen! Wladimir: Wir können nicht. Estragon: Warum nicht? Wladimir: Wir warten auf Godot. Estragon: Ah! Warten am Busbahnhof Wiesdorf

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Foto: U. Miserius

Region Der Dezember ist da, Weihnachten rückt immer näher und so ganz allmählich wächst die Vorfreude auf das wohl beliebteste Familienfest in Deutschland. Doch Weihnachten ist mehr als nur Geschenke, rote Kerzen, Lebkuchen und Glühwein - vielmehr wird es Zeit, in einer gefühlt immer hektischer werdenden Welt zu entschleunigen. Vielleicht auch an einem Ort, an dem das notgedrungen der Fall ist.

Zugegeben, es existieren besinnlichere Fleckchen Erde als der Busbahnhof in Leverkusen - insbesondere, wenn eine unangenehme Kälte die Hände leicht einfrieren lässt und der Nase das Signal zum Laufen gibt. Doch gibt es wohl gleichzeitig auch keinen Ort, an dem Hektik und Geruhsamkeit derart nah beieinander liegen, wie an Bussteigen des öffentlichen Personennahverkehrs.

Noch herrscht Ruhe in der wartenden Menge. Etwas abseits des innerstädtischen Verkehrs haben sich viele Menschen versammelt, um mit dem Fernbus in eine andere Region zu gelangen - vielleicht zu Familie, Freunden, einem Beisammensein im Kreise der Lieben. Weg von dem Müll im dornigen Blumenbeet hinter den abgenutzten Holzbänken. Einige lachen, versammeln sich in einer Gruppe. Andere knipsen mithilfe ihrer Kopfhörer die Welt aus. Dann geht alles ganz schnell, es herrscht Aufbruchsstimmung. Ein Reisebus nach dem anderen hält vor dem durch ein dunkelgrünes, leicht verblastes Dach geschützten Wartebereich. Hektik bricht aus, beim Einsteigen werden die Ellenbogen ausgefahren, mit Schwung Sporttaschen die Treppen hinaufgewuchtet. Die Busmotoren klappern, bevor sie aufheulen.

Und auf einmal ist alles wieder ganz still. Auf dem Boden versammelte Zigarettenstummel sind die nahezu letzten hinterbliebenen Zeugen - allerdings nicht ganz. Denn mit einem Rollkoffer schlendert gerade Hamide Pllana über den mit alten Kaugummis gepflasterten Weg Richtung Haltestelle. In ihrer grauen Winterjacke warm eingepackt, lässt sich die Frau auf einem der wohl noch warmen Sitzbänke nieder. "Nach Frankfurt", sagt sie, sei sie unterwegs. "Ich besuche meine Tochter", fügt sie schnell an. Das solle kein Weihnachtsbesuch über die Feiertage werden, nur "so vier bis fünf Tage" weile sie in der Mainmetropole . Schon lange lebt die 65-Jährige dort, kam vor vielen Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland und arbeitete dann als Krankenschwester. Gemütliche Stimmung komme bei ihr nicht auf, das sei gar nicht möglich. "Schön ist es nirgendwo, wenn es so kalt ist", sagt die Rentnerin, die deutlich lieber die Sonne im Gesicht fühlen würde.

Das Verlangen, endlich einmal zur Ruhe zu kommen, verspürt sie kaum. Doch woran denkt man, wenn doch noch so viel Zeit bis zum Eintreffen des heiß ersehnten und - hoffentlich - beheizten Busses ist? Sie hat einen Warte-Tipp parat: "Ich lese dann ein Buch." Oder, alternativ: den Gedanken freien Lauf lassen, positiv bleiben und sich nicht zu sehr ärgern, in der Kälte stehen zu müssen. Schon wenig später befindet sich Pllana bereits auf dem Weg nach Frankfurt - die Zeit beim Warten ist wie im Flug vergangen.

(RP)
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