Reportage Wer jongliert, trainiert Körper und Geist

Mettmann · Der SV Hilden-Ost und der Mitmachzirkus Hilden bieten Artisten in spe ein Schnuppertraining an. Kommen können alle Neugierigen ab fünf Jahre - nach oben gibt es keine Grenzen. Und in der Übungsstunde vergeht die Zeit wie im Flug.

 Hochkonzentriert: Die sechsjährige Helena versucht, mit den Tücher-Pois zu jonglieren.

Hochkonzentriert: Die sechsjährige Helena versucht, mit den Tücher-Pois zu jonglieren.

Foto: Olaf Staschik

HILDEN Jochen will endlich etwas zum Schutz von Mandarinen tun. Der 72-Jährige im Trainingsanzug lächelt: "Seit meiner Kindheit möchte auch ich das Jonglieren erlernen, jetzt bin ich sicher, dass es klappt." Bei den bisher ergebnislosen Versuchen im Alleingang zerplatzten unzählige, in die Luft geworfene Mandarinen und Klementinen am Boden, ohne dass Jochen seinem Ziel auch nur einen Millimeter näher gekommen wäre. Aber nun steht Übungsleiterin Chiara Heyn vor ihm und erklärt das Grundprinzip: "Stell Dir ein Rechteck vor. Und dann wirfst Du die Bälle in die obere Ecke, die der Wurfhand gegenüber liegt." Schon klappt das ein, zwei - nein nicht drei Mal, weil ein Ball zu Boden fällt. Aber Jochen hat die Anleitung verstanden und will es schaffen. Also: noch einmal . . .

Aufwärmphase: 18 Menschen stehen in der Sporthalle Kalstert im Kreis und lassen einen Ball auf einem bunten Tuch kreisen. Christian Meyn-Schwarze freut sich über den Zuspruch: "In welchem Sportverein gibt es das schon, dass drei Generationen zusammen trainieren und etwas erreichen wollen?" Der Direktor des Mobilen Mitmachzirkus Hilden und der SV Hilden-Ost haben zu Jahresbeginn ein außerordentliches Experiment gestartet: An vier Januar-Donnerstagen verwandelt sich die Turnhalle in eine Manege. Falls am Ende des Monats mindestens zehn begeisterte Artisten übrig bleiben, will der SV eine eigene Zirkusabteilung eröffnen. "Das wäre toll", sagt die achtjährige Moana, die mit Ballett und Judo als quirliges Bewegungstalent eigentlich schon ausgelastet ist. Aber der Traum, eine Artistin unter einer echten Zirkuskuppel zu sein, ist doch zu verlockend . . .

Zudem ist Christian Meyn-Schwarze Moanas "Leih-Opa" und nennt ganz handfeste Gründe für seine zirzensische Begeisterung: "Wir trainieren hier Körper und Kopf. Und zwar beide Hirnhälften." Köpergefühl, Koordination und ein gutes Auge - was Zirkusleute täglich trainieren, hält neben den Muskeln auch die kleinen grauen Zellen fit. Aus einer damals bei Männern noch seltenen eigenen Elternzeit heraus hat sich Meyn-Schwarze seinen eigenen Lebenstraum erfüllt: "Ich darf seit 25 Jahren spielen."

Dementsprechend entspannt verfolgt er, wie die Jongleure in spe versuchen, mit den "Devil Sticks" - den Teufelsstöcken - klarzukommen. Mit der Hilfe von zwei übergroßen chinesischen Essstäbchen soll ein weiterer Stab in Bewegung gehalten werden, ohne dass er runterfällt. Immer zwei Übende arbeiten zusammen. Doro (56) kommt mit der Stäbchen-Nummer nicht zurecht. "Du musst es viel langsamer machen", rät Meyn-Schwarze, "dann hast Du eine Kontrolle über das, was da vor Dir passiert." Er macht es vor, Doro folgt und versteht.

Als die 45-minütige Übungseinheit wenig später offiziell zu Ende geht, machen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein enttäuschtes Gesicht. "Aber gerade hatte ich doch . . .", "Ich wollte noch . . " Also gibt es noch einen kleinen Nachschlag - gegen ein Versprechen: "Kommt ihr am nächsten Donnerstag wieder?", will Meyn-Schwarze wissen. Auf die Frage hat niemand mit "Nein" geantwortet.

(dne)
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