Kreis Mettmann Alles über die Macht der Mode

Kreis Mettmann · Krieg und Kleidernot sind nicht das Ende, sondern stets der Beginn neuer Kleiderformen. Dies zeigt das Museum Cromford in Ratingen in einer Ausstellung. Ihr Untertitel lautet "Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik". Kleidung und Attitude spiegeln gesellschaftlichen Wandel.

 Museumsleiterin Claudia Gottfried, hier mit Gewändern für Mütter Anfang des 20. Jahrhunderts, rückt erneut Kleidung als Spiegel gesellschaftlichen und politischen Wandels in den Fokus.

Museumsleiterin Claudia Gottfried, hier mit Gewändern für Mütter Anfang des 20. Jahrhunderts, rückt erneut Kleidung als Spiegel gesellschaftlichen und politischen Wandels in den Fokus.

Foto: achim blazy

Egal wie schön die Kleider, Hüte oder Anzüge sind - irgendwie haben sie bei den Ausstellungen im Industriemuseum Cromford an der Cromforder Allee in Ratingen immer etwas mit Krieg zu tun. So auch diesmal. Vergangenen Sonntag begann die Schau, die da "Die Macht der Mode" heißt und wieder einmal Kleidung und Attitude als Spiegel gesellschaftlichen und damit politischen Wandels zeigt. Und so lautet der Untertitel: "Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik".

Anfang des letzten Jahrhunderts scheinen, wenn man der ersten Gedankenverbindung nachgibt, die Frauen unablässig im Charlestonkleid durch die Salons gewippt zu sein, während die Herren der besseren Schöpfung Haltung im Stresemann - dem schwarzen Anzug mit gestreifter Hose - eine gediegene Begleitung abgaben.

Das gab es natürlich auch, und das kann man anhand wunderbarer Exponate ausgiebig studieren. Doch Gesellschaftsanzüge und perlenbestickte Hängerchen waren selbst in finanziell potenten Kreisen nicht Ganztags-Gewänder.

"Eine nie gekannte Modernisierung aller Lebensbereiche hielt die Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg in Atem", erklärt das Museum. Und weiter: "Straßenbahnen, Automobile und Fahrräder versprachen eine neue Form der Mobilität, die aus den Vorstädten und vom Land in die neuen urbanen Zentren der Städte führten".

Also gab es für Frauen zwar bauschige, aber immerhin Hosen, die sie nach der Radtour mit einem zünftigen Rock zu verhüllen hatten. Und mit einem rauschenden Rock samt Schleppe konnte keine Dame den Perron einer Straßenbahn - die freie Fläche vor dem geschlossenen Bereich einer Straßenbahn - mit Schwung erklimmen. Damen mit ausladenden Hüten, die mit langer Nadel in den Hochsteckfrisuren befestigt wurden, durften diese Gebilde in der Tram nicht mehr tragen, weil die Gefahr für Leib und Leben der Mitreisenden zu groß war.

In den Metropolen entstanden mit den Warenhäusern neue, völlig unbekannte Konsumtempel, in denen es alles zu kaufen gab, was das Herz begehrte. Wenn man es sich denn leisten konnte. Es gab sogar vorgefertigte Kleidung, die dann abschließend auf Figur gearbeitet werden konnte. Und in Köln wurde im Jahr 1925 im Kaufhaus Tietz die erste Rolltreppe in Deutschland installiert: Ein Alptraum, hätte sich darin ein bodenlanges Seidenkleid verheddert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Kleidung also zweckmäßiger, sachlicher und ließ immer mehr Bewegungsfreiheit. Der Krieg mit seinen starken Einschränkungen und der Kleidernot hat daran wenig geändert, die Macht der Mode war stärker: Sie fand neue Formen für einen vereinfachten Kleidungsstil, der sich den Anforderungen des modernen Lebens anpasste, und so mauserte sich das kurze Charlestonkleid zu einem modischen Teil, ohne das es in den passenden Kreisen nicht mehr ging. Die Alltagsversion war ein simples Kleid aus einfacheren Stoffen.

Mit über 130 Originalkostümen, Accessoires, Objekten aus dem Alltag sowie zahlreichen Fotografien zeigt die von Claudia Gottfried und Christiane Syré kuratierte Ausstellung, wie Mode und Kleidung in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf die rasanten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen reagierten.

(RP)
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