Mettmann Kreisler hat Böses geschrieben, um Gutes zu bewirken

Mettmann · Im Straßencafe sitzen, einen Stadtspaziergang machen oder einfach im Garten die Füße hochlegen: Was hätte einem umhüllt von der Frühlingssonne nicht so alles einfallen können. Stattdessen war die Kulturvilla gut gefüllt mit Leuten, die unbedingt Tauben im Park vergiften wollten.

 Nicolaus Evertsbusch trat in der Kulturvilla auf.

Nicolaus Evertsbusch trat in der Kulturvilla auf.

Foto: Olaf Staschik

Und dann auch noch dieser depressive Triangelspieler, der - eingepfercht zwischen weinenden Violinen und lachendem Glockenspiel auf seinen Einsatz wartete. Das elendlange Ausharren auf dem harten Orchesterstuhl, und all das nur für dieses eine "Pling" auf Seite 89 des Notenbuchs? Um Himmelswillen, da leidet man als Zuhörer doch gleich mit.

Hatten sich also überzeugte Masochisten beim Liederabend an der Beckershoffstraße eingefunden? Mitnichten! Hatte doch die Gesellschaft Verein zum Kreisler-Vergnügen eingeladen und bei dessen schwarzhumorigem Liedgut kam man eigentlich aus dem Lachen nicht mehr heraus. Wären da nicht die Abgründe einer Ehe gewesen, inmitten derer es ganz böse wurde: "Man geht sich auf die Nerven und will sich nur bewerfen. Und hört man mit dem Hadern auf, schneidet man sich die Adern auf." Was Nicolas Evertsbusch da aus dem musikalischen Werk des Georg Kreisler zum Besten gab, hatte es jedenfalls in sich. Georg Kreisler? Wer ist das überhaupt?

Wer ihn noch nicht kennt, sollte ihn kennenlernen. Ein Stelldichein lässt sich leider nicht mehr arrangieren, da der Wiener Klavierkabarettist längst nicht mehr unter den Lebenden weilt. Seine bitterbösen Lieder voller Poesie und Sprachverspieltheit haben seine eigene Zeit überdauert. Ihm jedenfalls verdanken die Zuhörer das Wissen darum, dass, wenn es dem Wiener zu wohl wird, er aufs Klo geht, um zu brechen. Und auch, dass die Wiener eines sein sollen: schlampig, faul und ein bisschen tot. Dazu gibt es dort offenbar auch noch ahnungslose Musikkritiker, die sich nicht scheuen, die hohe Kunst der Klassik unter ihren Händen zu Staub zerfallen zu lassen. "In dem Lied konnte sich Georg Kreisler austoben", glaubt Nicolas Evertsbusch, der das Kreisler´sche Liedgut wunderbar zu Gehör brachte. Kreisler habe Böses geschrieben, um Gutes zu bewirken. Und auf die Frage, ob er an ein Leben nach dem Tod glaube, geantwortet: "So pessimistisch bin ich nicht."

(magu)
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