Mettmann Klamauk mit ernstem Hintergrund

Mettmann · Andreas Schmidt und Roman Grübner gastierten in der Kulturvilla.

Ein Hauch von Erwartung lag über dem ausverkauften Abend in der Mettmanner Kulturvilla. Travestie - das verspricht Paillettenroben, Perücken und pralle Gags, eine Prise Frivolität und sehr viel Glitzer und Glamour.

Der unvergessene österreichische Entertainer und Frauenschwarm Udo Jürgens hingegen, dessen Andenken der Abend der Hamburger Künstler "Daphne Woo" alias Andreas Schmidt und "Roman Who" alias Roman Grübner gewidmet war, passt nur schwerlich in ein Milieu von Rotlicht und Reeperbahn. Wie also lassen sich diese beiden Extreme auf einer Kleinkunstbühne kombinieren?

Udo-Jürgens-Fans mochten den Atem angehalten haben: Es sollte doch nicht etwa das legendäre Liedgut persifliert werden? Zur allgemeinen Erleichterung stellte sich sehr bald dar, dass der Kavalier-Bariton Roman Grübner mit Schmelz und Charme in der wohlgebildeten Stimme den unsterblichen Hits wie "Liebe ohne Leiden" mehr als gewachsen war, und auch "Tante Woo" überraschte mit Stimmgewalt im Herrenregister.

Es fehlten auch nicht die erwartet schlüpfrigen Scherze in der Anmoderation, bei denen der eine oder andere im Publikum wohl rote Ohren bekam - in der Hamburger "Pornoreihe" geht es eben etwas anders zu als im beschaulichen Mettmann.

Launig ging man in die Pause und ließ sich im Salon ein Gläschen Prosecco munden. Wer in der zweiten Halbzeit ein weiteres Feuerwerk der exzellenten Unterhaltung erwartete, wurde unerwarteterweise mit einer ganz anderen Seite der beiden Künstler konfrontiert: Offensiv bekannte Schmidt sich zu seiner psychischen Erkrankung. Quasi therapeutisch, erfuhr das Publikum, sei die Erfindung der Kunstfigur Tante Woo; nur durch die Flucht in ein Alter Ego könne er sich im Rampenlicht entfalten. Ergriffen lauschten die Zuhörer, darunter etliche "Aida"-Gäste, die ihren Lieblingsdarstellern bis nach Mettmann nachgereist waren, Titeln wie "Und immer wieder geht die Sonne auf" und "Ich lass euch alles da", die plötzlich eine andere Tiefe bekamen.

Hochemotional endete der Abend, die Zugaben aus der Welt des Musicals widmeten die Künstler ihrem Lebenswerk, dem "Verein für psychisch kranke Künstler e.V.", dem sie das gesamte Abendhonorar spendeten.

Aus einem Abend im Tingeltangel wurde der ergreifende Auftritt zweier Künstler, die sich gegen das Verstecken ihrer Krankheit entschieden haben.

Das Publikum dankte es ihnen mit tosendem Beifall und der Bitte, doch in der nächsten Saison unbedingt wiederzukommen.

(RP)
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