Serie Rekordverächtig Die steilste Eisenbahnstrecke Europas

Mettmann · Auf 2449 Metern war eine Höhendifferenz von rund 82 Metern zu überwinden. Das ging nur mit einer Seilanlage.

 Die letzte Fahrt mittels der Seilzuganlage fand im August 1926 statt. Die Geschichte der Anlage ist auch im Museum Lokschuppen dargestellt. Mehr Bilder auf www.lokschuppen-hochdahl.de

Die letzte Fahrt mittels der Seilzuganlage fand im August 1926 statt. Die Geschichte der Anlage ist auch im Museum Lokschuppen dargestellt. Mehr Bilder auf www.lokschuppen-hochdahl.de

Foto: Eckler / Slg EHE)

ERKRATH Die steilste Eisenbahn-Hauptstrecke Europas vermutet man vielleicht in den Alpen oder einem anderen großen Gebirgszug, nicht jedoch zwischen dem Bergischen und dem Rheinland. Und doch hielt ein Teilabschnitt der Eisenbahnstrecke Düsseldorf-Elberfeld diesen Rekord über 140 Jahre lang: Der Streckenabschnitt zwischen Erkrath und dem Erkrather Stadtteil Hochdahl hat bei einer Länge von 2449 Metern eine Höhendifferenz von rund 82 Metern. Die Steigung der schnurgeraden Bahnstrecke beträgt 33 Promille.

 1962 wird die Schnellzuglok vor einem Eilzug von hinten mit einer Dampflok geschoben.

1962 wird die Schnellzuglok vor einem Eilzug von hinten mit einer Dampflok geschoben.

Foto: Hans Zerwas / Slg EHEH

Erst 1981 wurde in Frankreich die Hochgeschwindigkeitsstrecke Süd-Ost zwischen Paris und Lyon eröffnet, die zum Teil eine Steigung von bis zu 35 Promille aufweist und somit den Rekord ablöste. Zur Geschichte der ersten öffentlichen Eisenbahnanlage in Westdeutschland: Nachdem im Dezember 1835 die allererste deutsche Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth eingeweiht wurde, wollte man auch in anderen Teilen Deutschlands von den Vorteilen des neuen Verkehrsmittels profitieren. So wurde geplant, die wirtschaftliche Verkehrsverbindung zwischen dem Bergischen Land und dem Rhein mithilfe der Eisenbahn zu beschleunigen.

 Die A3 bei Erkrath wurde 1936 für den Verkehr frei gegeben. In diesem Bild aus den Anfangsjahren sieht man im Hintergrund die Brücke über die Autobahn, auf der ein Zug den Berg hinaufgezogen wird.

Die A3 bei Erkrath wurde 1936 für den Verkehr frei gegeben. In diesem Bild aus den Anfangsjahren sieht man im Hintergrund die Brücke über die Autobahn, auf der ein Zug den Berg hinaufgezogen wird.

Foto: Sammlung Voba

Am 9. April 1838 konnte mit dem Bau der Bahnstrecke Düsseldorf - Elberfeld begonnen werden. Schon acht Monate später, am 20. Dezember 1838, wurde der erste Streckenabschnitt in Betrieb genommen. Von Düsseldorf konnte man nun bis Erkrath mit der Eisenbahn fahren. Doch der nächste Abschnitt der Strecke stellte die Eisenbahningenieure vor eine große Herausforderung. Die Steigung von 33 Promille verlangte eine Kraftanstrengung, die damalige Lokomotiven noch nicht leisten konnten. Bei den Planungen war die Wahl dennoch auf diese Route gefallen. Mögliche alternative Verläufe der Eisenbahnstrecke wären deutlich länger gewesen und hätten bedeutet, dass mehr Tunnel und Brücken gebaut werden müssten. Zur Überwindung der Höhendifferenz wurde deshalb ein Seilzug-System errichtet. Zunächst wurde eine Anlage mit zwei Dampfmaschinen gebaut, die ein armdickes Hanf-Seil auf eine Seiltrommel aufwickelten und so die Eisenbahn den Berg hochziehen konnten. Am 10. April 1841 konnte dank dieser Technik der Streckenabschnitt eröffnet werden. Das Verfahren stellte sich jedoch schon bald als unwirtschaftlich heraus. Nur fünf Monate nach Inbetriebnahme der Bahnstrecke wurde das Seilzugsystem am 22. September 1841 umgestellt. Von da an wurde das Seil von einem auf dem Parallelgleis talwärts fahrenden Zug gezogen. Dieses Verfahren setzte eine feine Fahrplangestaltung voraus, damit die Züge in beide Richtungen stets zur selben Zeit in Hochdahl und Erkrath losfuhren. Die nächste Änderung erfolgte im Juni 1843: Nachdem das aus Hanf bestehende Seil mehrmals - zum Teil aufgrund von Sabotage - gerissen war, wurde es durch ein stabileres Stahlseil ersetzt. Ab 1855 wurde der Betrieb der Seilzuganlage auf reine Seillokomotiven umgestellt. Eine vollständige Trennung vom talwärtigen Betrieb war dann ab 1865 möglich, als ein drittes Gleis gebaut wurde, auf dem die Seillokomotiven fahren konnten. 85 Jahre lang, also von 1841 bis 1926, funktionierte der Betrieb des Streckenabschnitts zwischen Erkrath und Hochdahl mithilfe der Seilzuganlage. Im August 1926 kamen dann neue Lokomotiven zum Einsatz, die die Eisenbahnen anschoben. Im Zuge der Elektrifizierung der Bahnstrecke im Jahr 1963 wurde nach der Seilzuganlage auch das Nachschieben zu einer veralteten, abgelösten Technik.

Im Lokschuppen in Hochdahl, der 1858 für den Seilzugbetrieb gebaut wurde und ab 1926 der Wartungsort für die Schubloks war, befindet sich heute ein Andenken an den ehemaligen Rekordhalter unter den steilen Eisenbahnstrecken. Der Verein Eisenbahn- und Heimatmuseum Erkrath-Hochdahl macht dort Eisenbahngeschichte greifbar, z.B. mit Fahrzeugausstellungen und Informationen rund um die Steilrampe Erkrath-Hochdahl. Die in diesem Zuge ausgestellte alte Umlenkrampe dient als Denkmal an die Pionierleistung der Eisenbahningenieure von damals. Diese Pionierarbeit stellt nicht nur einen Meilenstein in der Eisenbahnentwicklung dar, sondern führte auch zum Bau umfangreicher Industrieanlagen in dem zuvor nur landwirtschaftlich genutzten Gebiet. Letztendlich haben die Ingenieure durch den Eisenbahnbau auch dazu beigetragen, dass der Ort Hochdahl entstand und sich in den vergangenen Jahrzehnten zum größten Stadtteil Erkraths entwickelte.

Zum Nachlesen: "Die Seilzuganlage in Hochdahl" von Meinhard Sucker, Herausgeber: Deutsche Bundesbahn, Regionalabteilung Düsseldorf, 1988.

(RP)
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