Mettmann Als die Polizei das Küssen im Dunkeln verboten hat

Mettmann · Ein Blick in die alten Polizeiverordnungen im Mettmanner Stadtarchiv zeigt: Es muss früher drunter und drüber gegangen sein im Städtchen.

Betrunkene Nachtwächter, Pfeife rauchende Polizeikommissare und mittendrin ein paar verlotterte Damen, die nicht mehr wussten, wo sie eigentlich zuhause sind. Blättert man sich über Jahrhunderte hinweg durch die Mettmanner Polizeiverordnungen, kommt einem vor allem eines in den Sinn: Es muss zuweilen drunter und drüber gegangen sein im Städtchen. Anders wäre die "Regelungswut" der Obrigkeit wohl kaum zu erklären gewesen.

Selbstverständlich hatte es auch immer wieder Klagen aufgebrachter Bürger gegeben, denen das Lotterleben so mancher Zeitgenossen ein Dorn im Auge gewesen sein mag. So wurden verliebte Pärchen und durchs Gestrüpp trampelnde Wanderer beklagt, die im Mondschein im Stadtwald unterwegs gewesen sein sollen. Wie man so etwas bemerkt haben soll, ohne selbst ebenfalls dort gewesen zu sein, bleibt dahingestellt. Jedenfalls landete die Klage geradewegs auf dem Schreibtisch von Bürgermeister Lemke, der sich daraufhin seinen Polizeichef zur Brust nahm, um dem unsittlichen Treiben mit der "Verordnung für die Benutzung des Stadtwaldes" aus dem Jahre 1923 ein Ende zu bereiten. Fortan war Küssen im Dunkeln verboten. Dafür hatte man sich zukünftig unter die Laterne zu stellen. "Die im Stadtwald und in den Anlagen aufgestellten Bänke dürfen nicht von ihrem Standort entfernt, und nicht zum Liegen, Schlafen oder für Turnübungen benutzt werden", ließ Bürgermeister Lemke die Mettmanner wissen. Ein Nickerchen auf dem Stadtwald-Mobiliar? Geht gar nicht! Dehnen, Strecken und Kopfstand auf der Parkbank? Tabu! Aber damit war´s noch längst nicht genug. Auch die offenkundig ausufernden Schwelgereien bei so genannten Leichenbegräbnissen hatten schon einige Jahrzehnte zuvor für Unmut gesorgt. Gab es ausschweifende Gelage, kaum dass die buckelige Verwandtschaft unter der Erde war? Wurde derweilen die Trauerarbeit vergessen? Wir wissen es nicht. Dafür lässt uns Heimatautor Ludwig Rasche in der "Medamana" wissen: "Die Polizei musste die Anordnung befolgen, dass fortan am Tage der Begräbnisse nur zwölf der nächsten Verwandten bis um 4 Uhr nachmittags mit einem mäßigen Mittagsmahle bewirtet werden durften."

Sollte sich der Leichenschmaus zuvor schon mal bis in die Abendstunden hingezogen haben, könnte es durchaus auf dem Marktplatz zu unheimlichen Begegnungen gekommen sein. Denn dort war zu fortgeschrittener Stunde der Nachtwächter unterwegs - und das wohl auch nicht immer so ganz nüchtern. Jedenfalls gab dessen Dienst im Jahre 1866 Anlass zu Beschwerden, woraufhin der gute Mann vom selbigen suspendiert wurde. Besonders lukrativ scheinen die nächtlichen Wachgänge offenbar nicht gewesen zu sein, gab es doch häufig Klagen über die mickrige Entlohnung.

Daraufhin hatte irgendjemand im Rathaus eine ganz tolle Idee: Reicht das Geld von der Nachtschicht nicht, möge man doch einfach noch irgendwo anders arbeiten. Tagsüber sei doch schließlich noch genug Zeit, um für den Broterwerb zu sorgen. Dazu kam auch noch, dass an der Ley eine Kontrolluhr angebracht wurde, an der sich der Nachtwächter nach seinem Rundgang über die Bergstraße zu registrieren hatte. All das führte freilich dazu, dass den Job keiner mehr machen wollte. Deshalb bekam Polizeikommissar Reinhold Biesenbach nun noch mehr zu tun. Schaut man in seine Stellenbeschreibung, so muss er beinahe überall gewesen sein. Denn Biesenbach war es, der um die Jahrhundertwende in seinen 40 Dienstjahren dafür zu sorgen hatte, dass die Mettmanner nicht unverrichteter Dinge im typisch deutschen Verordnungswahn untergingen.

So musste kontrolliert werden, ob im Friseursalon die obligatorischen Spucknäpfe aufgestellt wurden. Dass der Bürgermeister mit demselben Rasierpinsel bearbeitet wurde wie Otto Normalverbraucher, ging gar nicht. Die Entleerung der Mülleimer, die Abfuhr der Fäkalien, obdachlose Frauen: Reinhold Biesenbach hatte alles im Blick. Wer beim Bäcker die Auslage anfasste, bekam eins auf die Finger. Freifliegende Tauben während der Saatzeiten dürften den Polizeichef wohl auf die Palme gebracht haben. Zumindest dann, wenn sie jemandem gehörten, dem man dann selbstverständlich einen unangenehmen Besuch abzustatten hatte. Warum er eines Abends nicht beim Dienst, sondern mit der Pfeife im Mund im heimischen Sessel angetroffen wurde, bleibt bis heute sein Geheimnis. Vielleicht hatte er einfach keine Lust mehr auf die Querelen, die ständig bei ihm landeten.

Ärger mit der Obrigkeit gab´s übrigens auch, wenn es im Städtchen nachts irgendwo brannte. Zumindest für diejenigen, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten und meinten, sich einfach die Decke über den Kopf ziehen zu können. Stattdessen hatte man aufzustehen und das Licht anzumachen, um für zusätzliche Straßenbeleuchtung zu sorgen, damit Feuerwehrleute nicht über Verletzte oder Gerätschaften stolpern. Außerdem - auch das stand in einer der unzähligen Verordnungen - hatte man sich im Rathaus einzufinden, um dort Eimer und Haken abzuholen. Damit sollte man dann für Brände im eigenen Haus oder in dem des Nachbarn gerüstet sein.

Ob es nun dem sprichwörtlichen "Klüngel und Filz" geschuldet war oder die Stadtobersten einfach nur eine soziale Ader hatten, ist nicht überliefert: Jedenfalls gab es für die im Dienste des Mettmanner Bürgermeisters tätigen, verdienten Polizisten zwischenzeitlich auch durchaus "rosige" Zeiten. Als die beiden Polizeidiener H. und G. wegen mannigfaltiger körperlicher Gebrechen nicht mehr im Stande waren, ihren Dienst zu tun, würde kurzerhand ein dritter Polizeidiener eingestellt. Und der durfte dann alles allein machen.

(magu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort