Kolumne Wie Geht's, Meerbusch? Wie viel Merkel steckt in Mielke-Westerlage?

Meerbusch · Die Entscheidung, Reihenhäuser statt Zelte für Flüchtlinge zu bauen, ist von historischer Tragweite. Die Bürgermeisterin setzt damit ein Zeichen: "Flüchtlinge sind willkommen". Nicht nur hier weist sie erstaunliche Parallelen zur Kanzlerin auf.

 Angela Merkel und Angelika Mielke-Westerlage - erstaunliche Parallelen.

Angela Merkel und Angelika Mielke-Westerlage - erstaunliche Parallelen.

Foto: Anna Radowski

Es gab wenig Applaus für Meerbuschs Stadtchefin und den Stadtrat am 25. Februar 2016, als in einer schlichten Schulaula eine Entscheidung gefällt wurde, die finanziell so große Auswirkungen hat wie selten eine andere vorher. Politik und Verwaltung entschieden, für Millionen von Euro neue Reihenhäuser als Flüchtlingsheime zu bauen. Einige Anwohner saßen im Publikum, sie wirkten danach resigniert; kein "Buh"-Ruf, aber eben auch keine Anerkennung. Angelika Mielke-Westerlage hat eine Entscheidung gefällt, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel wohl begrüßen würde: Meerbusch baut Reihenhäuser statt Großzelte für Flüchtlinge auf. Dieser Schritt ist vergleichbar mit dem der Bundeskanzlerin im Sommer 2015, als Flüchtlinge in Ungarn standen. Zweimal das Signal: Flüchtlinge sind hier willkommen.

Wie viel Kanzlerin steckt also in der Bürgermeisterin?

Es gibt erstaunliche Parallelen zwischen Angela Merkel und Angelika Mielke-Westerlage - weit über ihre Initialen "AM" hinaus. Beide sind Anfang 60 und beide sind sie die erste Frau auf ihrem Posten. Vor Angela Merkel gab es nur Bundeskanzler, vor Angelika Mielke-Westerlage nur Bürgermeister. Beide sind sie resolute, entscheidungsstarke Frauen, dennoch demütig gegenüber ihrer Aufgabe.

Seit knapp zwei Jahren ist Mielke-Westerlage hauptamtliche Bürgermeisterin der Stadt Meerbusch. Im Juni 2014 wurde sie gewählt. Angelika Mielke-Westerlage, verheiratet mit Heinrich Westerlage, zwei Kinder, gilt als pragmatische Chefin, die sich in Akten rein frisst, die strebsam ihre Ziele verfolgt. Ist eine Entscheidung einmal gefällt, wird sie durchgezogen. Wie Angela Merkel kannte sie den Apparat von innen, bevor sie Chefin wurde: Die gelernte Diplom-Verwaltungswirtin war in Meerbusch Dezernentin für Schule, Kultur und Sport, Jugend und Soziales - Merkel war übrigens Familienministerin und Umweltministerin.

Es gibt eine weitere wichtige Parallele: Angela Merkel war die Kanzlerin, die die CDU modernisierte, die sich auch wählbar machte für ein neues Milieu. In dieser Tradition muss man auch die Politik von Angelika Mielke-Westerlage sehen, die politische Verbündete bei den Grünen findet, die sich auch nicht scheut, Vorschläge der Opposition anzunehmen. "Fähnchen im Wind" mögen die einen sagen - man kann das auch politischen Pragmatismus nennen. Die ersten Ideen, dass Mielke-Westerlage Bürgermeisterin werden könnte, wurden in der Opposition geboren. Es waren FDP, SPD, Grüne und UWG, die Mielke-Westerlage zuerst auf den Bürgermeisterthron hieven wollten. Die CDU erkannte die Zeichen der Zeit.

Auch diese Geschichte verbindet Angelika Mielke-Westerlage und Angela Merkel. Beide haben in ihrer Karriere Männer aus dem Weg geräumt. Kein Machtspielchen, das Merkel nicht gegen die Männer in ihrer Fraktion gewann. Angelika Mielke-Westerlage wiederum hat es geschafft, ins Rathaus einzuziehen, obwohl es zuvor einen männlichen CDU-Kandidaten gab. Werner Damblon wollte zuerst, sagte dann aber, er fände keinen Nachfolger für seine Firma, und machte einen Rückzug. Seit Mielke-Westerlage im Rathaus sitzt, ist sie mitunter auch eiskalte Machtpolitikerin. Ihr Verhältnis zu Dezernent Frank Maatz gilt als extrem unterkühlt. Obwohl Maatz Erster Beigeordneter ist, saß er im Planungsausschuss nicht neben der Stadtchefin, dazwischen saß Dezernent Assenmacher.

Wer mit politischen Kontrahenten über die Meerbuscher Bürgermeisterin spricht, der staunt. Die FDP etwa lobte jüngst die erste Frau der Stadt. Sie mache ihren Job gut, hieß es, und die nachfolgende kleine Kritik von FDP-Ratsherr Ralph Jörgens an der Haushaltsführung wirkt wie der zaghafte Versuch, dennoch politischen Dissens markieren zu wollen. "Sie macht ihren Job gut" - solche Antworten hört man auch von anderen Initiativen, etwa den "Bürgern gegen Fluglärm". Wahrscheinlich hilft hier das gemeinsame Thema: Angelika Mielke-Westerlage ist Fluglärm-Opfer: Geboren wurde sie in Lank, lange wohnte sie in Büderich - der lauten Flugzeuge wegen ist sie ins ruhigere Osterath gezogen. Angela Merkel wohnt übrigens in einem Dorf in Uckermark.

Angelika Mielke-Westerlage hat wie Merkel beim Thema Flüchtlingspolitik eine pragmatische Wende hingelegt - plötzlich werden Reihenhäuser als Flüchtlingsheime gebaut, nicht mehr Turnhallen sollen als Flüchtlingsheim dienen. Diese Entscheidung erscheint vor dem Hintergrund der Berichterstattung des WDR über die Zustände in Meerbuscher Flüchtlingsheimen in besonderem Licht. Mielke-Westerlage hat erkannt, dass der Wind sich gegen sie stellt, also hat sie ihre Politik angepasst. Fast 60 Prozent der Wählerstimmen hat sie bei der Bürgermeisterwahl erreicht. Ob sie noch einmal antritt? In den kommenden Jahren wird es für die Stadtchefin besonders ein großes Thema geben, das über die Bewertung ihrer Politik entscheidet: die Flüchtlingsfrage.

Wenn AM also wissen will, wie sich ihre politische Karriere entwickelt, sollte sie künftig öfter mal die AM im Kanzleramt im Blick haben.

(RP)
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