Jan Weiler "Freibier für alle!"

Meerbusch · Vielleicht sollte man mit dem Ende anfangen, um zu erklären, was Jan Weiler von vielen anderen Schriftstellern unterscheidet.

Vielleicht sollte man mit dem Ende anfangen, um zu erklären, was Jan Weiler von vielen anderen Schriftstellern unterscheidet.

"Ich biete einen weltweit einzigartigen Signierservice", umwirbt der ehemalige Schüler des Meerbusch-Gymnasiums die 280 Zuhörer im Lanker Forum Wasserturm. "Ich signiere auch Bücher, die nicht von mir sind und schreibe jeden Autorennamen drauf, den Sie wollen." Außerdem datiere er auch zurück, "bis zu drei Jahre". Für Leute, die mal vor einiger Zeit ein Weihnachtsgeschenk vergessen haben. Und seit einer Lesung am 15. Mai in Frankfurt habe er einen weiteren Service im Programm. Damals sei ein Mann zu ihm gekommen, der ihn gebeten habe, doch einen anderen Ort einzutragen. Er brauche ein Alibi. "Das mache ich seitdem auch. Ich stelle auch keine Fragen", sagt Weiler und zwinkert verschwörerisch. Der Mann hat mal für verschiedene Werbeagenturen gearbeitet. Das merkt man.

Ein durch gut zwei Stunden Heiterkeit ermattetes Publikum lässt sich nicht lange bitten und strömt zur Signierstunde. Hinter sich haben sie einen Parforceritt durch die wohl aufregendste Achterbahn, die das Leben zu bieten hat: die Pubertät. Dieser speziellen Lebensphase hat der Autor des Bestsellers "Maria, ihm schmeckt's nicht" sein Buch "Das Pubertier" gewidmet, in dem er sich mit klarem Blick, wissenschaftlichem Interesse, geschliffener Sprache und dem Mut zu angemessener Übertreibung den Veränderungen seiner Kinder widmet.

Das ebenso kenntnisreich zusammengestellte wie kurzweilige Werk verweilte sechs Wochen auf Platz eins der "Spiegel"-Bestsellerliste und doppelt so lang auf Platz zwei; seit Monaten tourt Weiler damit und mit anderen Geschichten aus seinem Leben als Mensch durch die Lesesäle dieser Republik.

Seinem Auftritt ist das anzumerken, weil die Routine ihn perfektioniert hat: Jede Pointe sitzt, die wenigen Gesten sind wohlüberlegt und entfalten ihre Wirkung: Im Publikum fließen Tränen. Zum Beispiel, wenn Weiler die linke Hand steil nach oben hebt und unter Zuhilfenahme der rechten eine Pilzform andeutet. Dazu macht er Geräusche, die ein bisschen so klingen, als würde Kim Jong-il die Atombombe erklären. So, genau so, explodiere seine Tochter, wenn er sie necke. Söhne hingegen, referiert Weiler, reagieren ganz anders. Nenne er seinen Sohn "Butterbirne", höre er höchstens ein "höh?!". Weiler bewegt den Kopf, als sei er gegen eine Laterne gedonnert. Gegen dieses "höh?!" klingen die Gespräche von Beavis und Butthead nahezu intellektuell. Apropos: Er sei in Verzückung geraten, als er seine Tochter über Woyczek habe sprechen hören. Bis er herausfand, dass er schlecht höre und von WhatsApp die Rede war. Er macht die Zuhörer mit Ulrich Dattelmann bekannt, dem Chef der Elternvertretung, dessen Verhalten noch bescheuerter ist als sein Name, er berichtet von dem Wunder, das er in einer Berliner Currywurstbude miterleben durfte, wie dem Mann hinter der Theke ein 50-Cent-Stück in die Soße fällt und er mit der Kelle einen Euro herausfischt. Und dann macht er das, was noch nie jemand gemacht hat: Er lädt die Zuhörer zum Freibier ein. "Es können alle kommen, die mich kennen." Am Vortag hatte er Geburtstag. Viele folgen seiner Einladung, darunter zahlreiche ehemalige Klassenkameraden. Ein dufter Abend! Und danke fürs Bier ! mrö

(RP)
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