Meerbusch Mehr Inobhutnahmen im Jahr 2014

Meerbusch · Im Vergleich zum Vorjahr sind die Schutzmaßnahmen für Kinder in Meerbusch um mehr als das Doppelte gestiegen. Dennoch gibt es vergleichsweise wenige Fälle, in denen Kinder aus den Familien genommen werden müssen

 Ob ein Kind aus der Familie genommen wird, entscheidet das Jugendamt.

Ob ein Kind aus der Familie genommen wird, entscheidet das Jugendamt.

Foto: Gerhard Seybert

Die Stadt Meerbusch hat im vergangenen Jahr Kinder und Jugendliche insgesamt 186 Tage in Obhut genommen; 2013 waren es nur 91 Tage. Insgesamt ergriff das Jugendamt mehr als doppelt so viele Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche ergriffen wie 2013. Waren es 2013 insgesamt sieben Maßnahmen, kletterte ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 16. Auch die Sorgerechtsentzüge durch das Familiengericht sind 2014 von fünf auf sieben Fälle gestiegen. Allerdings liegt Meerbusch dabei immer noch deutlich besser als der Landesdurchschnitt: In Meerbusch kommt es pro Einwohner nur zu halb so vielen Schutzmaßnahmen und Inobhutnahmen wie im NRW-Schnitt.

Das statistische Landesamt NRW verzeichnet einen Plus bei Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche von 7,7 Prozent. Das sind 13 198 Schutzmaßnahmen, die die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen ergriffen haben. Der Anstieg ist laut Landesamt maßgeblich auf die Zunahme der Zahl von unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland zurückzuführen. Im Hinblick auf Sorgerechtsentziehungen verzeichnen die Statistiker einen Anstieg um 2,5 Prozent, also 4628 gerichtliche Maßnahmen zum vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge in 2014.

Bei den Sorgerechtsentzügen gab es im vergangenen Jahr drei Fälle, in denen das Sorgerecht vollständig auf das Jugendamt übertragen wurde, 2013 gab es keinen Fall. Die Zahl der teilweisen Sorgerechtsentzüge sank von fünf auf vier Fälle. Dabei handelt es sich meistens um Aufenthaltsbestimmungen, Vermögensversorgung oder Gesundheitsvorsorge. Sorgerechtserklärungen stiegen 2014 um 27 auf 78 Fälle. Angela Römmler-Graf von der Kinder- und Jugendförderung der Stadt Meerbusch erklärt: "Sorgerechtsentzüge entstehen aus Gefährdungssituationen und sind insoweit nicht steuerbar."

Peter Annacker, Jugendamtsleiter, erklärt, warum die Sorgerechtserklärungen zugenommen haben: "Es gibt immer mehr Väter, die auch Verantwortung für die Erziehung des Kindes übernehmen möchten - auch wenn sie nicht mit der Mutter verheiratet sind." Dazu müssen sie die Sorgeerklärung ausfüllen, die diese Entscheidung durch eine Urkunde amtlich macht.

Den starken Anstieg bei Schutzmaßnahmen erklärt Peter Annacker so: "In den Zahlen ist ein minderjähriger unbegleiteter Jugendlicher enthalten, bei dem ein normales Verfahren nicht möglich ist." Normalerweise sei es so, dass eine Inobhutnahme so lange anhält, bis Hilfe zur Erziehung organisiert wird, oder das Kind dem Sorgeberechtigten übergeben wird. "Durchschnittlich sind das maximal zehn Tage", sagt Annacker. Innerhalb kürzester Zeit werde mit den Eltern ein Gespräch zur Klärung des Falls geführt. "Die Frage ist immer, ob die Eltern in der Lage sind, sich um das Kind zu kümmern."

Die Gründe für eine Inobhutnahme seien verschieden. Annacker: "Manchmal ist es Gewalt in der eigenen Familie. Wenn es zu körperlicher Gewalt kommt und die Polizei oder das Jugendamt befindet, dass die Kinder gefährdet sind, werden sie aus den Familien herausgeholt." Ein anderer Grund seien verwahrloste Zustände in der Wohnung. Manchmal genüge es da, mit den Eltern zu sprechen, dass sie die Wohnung auf Vordermann bringen. "Manche brauchen einfach den behördlichen Druck, aber dann klappt es auch bei vielen", sagt Annacker. Die Kinder kommen erst dann wieder zurück, wenn der Zustand geändert wurde.

Sind die häuslichen Missstände aber so groß, ist vielleicht sogar Drogen- oder Alkoholmissbrauch der Eltern im Spiel, oder sie sind aus einem anderen Grund nicht in der Lage sind, den Haushalt zu führen, greift das Jugendamt ein. "Denn dazu gehört nicht nur, die Wohnung sauber zu halten, sondern auch, dem Kind Regeln zu geben", erklärt Annacker. Bisweilen sei es aber auch genau das, was dazu führt, dass das Jugendamt eingeschaltet wird. Annacker: "Manchmal ,flüchten' Kinder. Das ist dann der 14-Jährige, der nicht einsehen will, dass die Eltern ihn maßregeln und er beispielsweise um 24 Uhr zu Hause sein soll." Allerdings gebe es mehr Meldungen von Kindeswohlgefährdungen, als tatsächliche Fälle. "Meldungen kommen oft von besorgten Bürgern, resultieren manchmal aber auch aus einem Nachbarschaftsstreit. Das kann man dann meistens klären", sagt der Leiter des Jugendamtes. Aber auch von Kindergärten oder Schulen kämen Meldungen. Zwischen 40 und 50 Hinweise gebe es pro Jahr, sagt Annacker. Genau diese Aufmerksamkeit sei auch wichtig. "Wir sind angewiesen auf Meldungen von solchen Institutionen, da sie täglich mit den Kindern zu tun haben und direkt sehen können, ob etwas nicht stimmt. Und wir sind auch darauf angewiesen, dass die Gesellschaft sensibel reagiert."

Ohnehin seien es in Meerbusch vergleichsweise wenig Fälle, "weil wir ziemlich früh dabei sind und auch umfängliche ambulante Hilfsangebote machen", sagt Annacker. Mit ambulanten Maßnahmen könne man viel auf den Weg bringen und Fortschritte bewegen, die dann regelmäßig kontrolliert werden.

(RP)
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