Meerbusch Meerbuschs Helden der Nacht

Meerbusch · Nicht nur die Rettungskräfte, auch Anwohner der Zugstrecke und Passagiere des am Dienstagabend auf einem Feld in Osterath verunglückten National Express haben sich vorbildlich verhalten.

 Die Unglücksstelle in Osterath: Rund 400 Einsatzkräfte waren am Dienstagabend mehrere Stunden lang zwischen Ingerweg, Neusser Feldweg und Greit im Einsatz. RP-Fotos: C. Reichwein (2), H.-J. Bauer, J. Hagenacker

Die Unglücksstelle in Osterath: Rund 400 Einsatzkräfte waren am Dienstagabend mehrere Stunden lang zwischen Ingerweg, Neusser Feldweg und Greit im Einsatz. RP-Fotos: C. Reichwein (2), H.-J. Bauer, J. Hagenacker

Foto: Christoph Reichwein

Es sind Meerbuscher, die der stellvertretende Kreisbrandmeister Stefan Meuter am Mittwochmittag bei einer Pressekonferenz der Stadt zum Zugunglück am Dienstagabend in Osterath besonders lobt: "Das sind Ersthelfer, die einen lauten Knall gehört haben und sofort zur Unfallstelle geeilt sind - nicht, um zu gaffen, sondern um zu helfen." Wie die Brüder Frank und Marc Schiffer.

 Die Unglücksstelle bei Tageslicht. Wagons des Güterzuges sind die Böschung herabgestürzt.

Die Unglücksstelle bei Tageslicht. Wagons des Güterzuges sind die Böschung herabgestürzt.

Foto: Christoph Reichwein

Es ist kurz nach halb acht am Dienstagabend, als Frank Schiffer auf dem Nachhauseweg in Osterath am Bahnübergang steht und ein Rettungsfahrzeug nach dem anderen anrücken sieht. Der Osterather ist Betriebssanitäter bei Vodafone, seine Rettungsdienstausbildung hat er bei den Johannitern in Neuss absolviert. Deshalb weiß er auch, dass in so einer Situation jede Hilfe gebraucht wird. Also folgt er der Rettungskolonne aufs freie Feld, dorthin, wo wenige Minuten zuvor ein Personenzug mit einem Güterzug kollidiert ist, und weist den unter anderem aus Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach und Köln vorfahrenden Rettungsfahrzeugen den Weg über die dunklen Felder zum Einsatzort. "Das war wirklich eine große Hilfe", sagt Stefan Meuter.

Helfer - und damit Helden des Abends - sind aber auch die Inhaber und Mitarbeiter der Gärtnerei Hoevels und der Boverter Tennisclub, die ihre Räume spontan als Sammelstellen für die leicht und nicht verletzten Zugpassagiere zur Verfügung stellen. Sowohl die Gärtnerei, als auch das Clubheim liegen nur wenige hundert Meter Luftlinie vom Unglücksort entfernt. "Vor Ort war schnell klar, dass es mehr als 100 Personen geben könnte, die versorgt werden müssen, deshalb hab ich meinen Bruder angerufen", erzählt Frank Schiffer. Zu diesem Zeitpunkt ist es etwa 21 Uhr. Marc Schiffer sitzt gerade mit den Vorstandskollegen vom TC Bovert zusammen. "Als der Anruf kam, haben wir nicht lange überlegt", sagt er.

 Frank (r.) und sein Bruder Marc Schiffer sind in Osterath zu Hause und waren sofort als Helfer vor Ort.

Frank (r.) und sein Bruder Marc Schiffer sind in Osterath zu Hause und waren sofort als Helfer vor Ort.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Wenig später treffen unter anderem das Deutsche Rote Kreuz und Seelsorger ein. Ein Zelt wird aufgebaut, die Vereinsmitglieder kochen heißen Tee und Kaffee, irgendjemand besorgt noch ein paar Weihnachtsplätzchen.

Gegen Mitternacht sind circa 60 Personen im Vereinsheim am Neusser Feldweg: unverletzte, aber erschöpfte Zugfahrgäste und deren Angehörige. "Eigentlich haben wir nichts Besonderes gemacht, unser Beitrag war nur ein ganz kleiner, aber wir konnten immerhin einen warmen Raum anbieten", sagt Marc Schmitz. Wie sein Bruder betont er, dass es in dieser Nacht viele fleißige Helfer gab.

Großes Lob gibt es am Tag nach dem Unfall deshalb auch für die professionellen Retter. Rund 400 Einsatzkräfte, davon 200 der Feuerwehren aus Meerbusch und der Region, circa 150 vom Rettungsdienst und 50 vom Technischen Hilfswerk, dazu Bundes- und Landespolizei sowie 30 Notfallseelsorger waren am Dienstagabend zwischen Ingerweg, Neusser Feldweg und Greit vor Ort. Auf ihrer Facebook-Seite bedankt sich die Meerbuscher Feuerwehr "für die vielen Rückmeldungen, Danksagung und netten Worte für alle Helfer, die uns via Twitter, Facebook und persönlich erreichen. Wir sind gerührt! Das hätten wir nicht erwartet und geben den Dank an unsere Feuerwehrkameradinnen und Kameraden weiter".

"Das ist eine schöne Bestätigung, offenbar haben wir viel richtig gemacht", sagt Lutz Meierherm, Brandinspektor, Osterather und einer von drei Sprechern der Feuerwehr Meerbusch. "Am Ende muss man aber auch sagen, dass an diesem Abend mehre glückliche Umstände zusammenkamen: Die An- und Abfahrt zum und vom Unglücksort war durch die Lage auf freiem Feld gut möglich. Und der Löschzug Osterath hatte erst vier Tage vorher ein Referat darüber gehört, was bei einer solchen Großeinsatzlage zu tun ist - die Informationen waren also noch sehr präsent."

Genau richtig, sagt Marc Zellerhoff, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Rhein-Kreis, war aber auch das Verhalten der Passagiere. "Sie haben genau richtig reagiert, sind ruhig geblieben und haben uns mit allen wichtigen Informationen versorgt. Wir konnten direkt eine gute Kommunikation herstellen und schnell klären, wie viele Verletzte in den Wagen waren und wie schwer die Verletzungen waren."

Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage wohnt in Osterath und war am Unglücksabend selbst vor Ort. "Schlüssel zum erfolgreichen Einsatz war das reibungslose Zusammenspiel aller Beteiligten", sagt sie. Schadenslagen wie diese würden zwar regelmäßig in Übungen trainiert, die Realität sei aber dann doch eine ganz andere Herausforderung. "Ich freue mich auf jeden Fall, dass es Meerbuscher gab, die die Rettungskräfte tatkräftig unterstützt und mit angepackt haben. Bei schweren Unfällen gab da ja in der Vergangenheit auch andere - negative - Beispiele.

(RP)
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