Forum Kita-Streik: Druck der Eltern wächst

Meerbusch · Heute geht der Streik der Erzieherinnen an neun Tagesstätten in die vierte Woche. Auch wenn die Stadt die Zahl der Notgruppen erhöht - immer mehr Eltern sind empört. Wir dokumentieren offene Briefe - von Erzieherinnen und Eltern.

 Seit 11. Mai befinden sich die städtischen Erzieherinnen im Ausstand. 750 Kinder - und ihre Eltern - in den neun städtischen Kitas sind betroffen.

Seit 11. Mai befinden sich die städtischen Erzieherinnen im Ausstand. 750 Kinder - und ihre Eltern - in den neun städtischen Kitas sind betroffen.

Foto: Röse

Bei vielen Eltern liegen zu Beginn der vierten Streikwoche die Nerven blank. "Die Situation ist für viele kaum noch zu ,händeln'. Ersten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wurde bereits mit Kündigung gedroht aufgrund der Tatsache, dass sie Urlaub nehmen müssen auf unbestimmte Zeit", sagt die Meerbuscher Mutter Stefanie Niederdellmann. "Wir wissen die unglaublich wertvolle Arbeit unserer Erzieherinnen sehr zu schätzen, so bringen sie unseren Kindern es doch auch bei, Konflikte fair zu lösen, aufeinander zuzugehen. Dies erwarten wir jetzt von ihnen."

Seit 11. Mai werden in Meerbusch alle neun städtischen Kindertagesstätten bestreikt. 750 Kinder sind betroffen. Die Stadt erhöht von heute an die Zahl der Notgruppenplätze auf 190. Vergangenen Freitag stellten sich die streikenden Erzieherinnen der Komba-Gewerkschaft in Osterath und Lank den Eltern.

"In Lank waren die Eltern allesamt sehr verärgert, und die Erzieherinnen wurden lautstark und ungehalten beschimpft", berichtet ein betroffener Vater. "Das süffisante Lächeln, welches wir Eltern zurückbekamen, half in keinster Weise, die verhärteten Fronten aufzuweichen." Er kritisiert, dass der Streik nicht die Kommunen trifft. Die Stadt Meerbusch spart nach Angaben der Verwaltung mit jedem Streiktag rund 3000 Euro an Gehältern ein. "Eine viel effizientere Maßnahme wäre aus meiner Sicht, die Kinder zu betreuen und lediglich alle zusätzlichen Aufgaben, wie Dokumentation und alle weitere bürokratischen Aufgaben zu verweigern", sagt der Vater. "Diese Zusatzaufgaben werden von den Kommunen gefordert, und nur so würde ein Druck an richtiger Stelle aufgebaut."

Unsere Zeitung dokumentiert Auszüge aus dem offenen Brief der streikenden Erzieherinnen an Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage - und, stellvertretend für alle, aus dem Offenen Brief des Elternbeirats der Kita "Rasselbande":

Sehr geehrte Frau Mielke-Westerlage,

die Erzieherinnen und Erzieher der städtischen Kindertageseinrichtungen wenden sich mit diesem Brief an Sie, um unserer Forderung nach einer gerechten Eingruppierung noch einmal Nachdruck zu verleihen. Die Arbeit und Aufgabenbereiche der Erzieherinnen haben sich in den letzten 20 Jahren maßgeblich verändert. Damals gab es ausschließlich Vollzeitkräfte. Es wurden nur ca. 20 Prozent aller Kinder über Mittag betreut. Die jüngsten Kinder waren eher vier als drei Jahre alt. Alle Kinder konnten die Toilette selbstständig besuchen - sie trugen keine Windeln. Unsere damalige Arbeit war familienergänzend. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für alle Dreijährigen 1996 bedeutete für uns eine Überbelegung der Gruppen. Viele Kinder mussten und müssen gewickelt werden. Aktuell gibt es kaum noch Kinder, nicht nicht in einer Kita vollverpflegt werden. (...) Aktuell setzen wir die neueste zweite Revision des Binderbildungsgesetzes um. (...) Für die neue ,alltagsintegrierte Sprachförderung' ist für jedes Kind jährlich eine 24-seitige Dokumentation auszufüllen. (...)

Wir brauchen guten qualifizierten Nachwuchs, der eine Stelle in Meerbusch attraktiv findet und nicht in die Nachbarstädte abwandert, weil es dort bessere Bedingungen und Verträge gibt. Wir fordern eine gerechte Eingruppierung für alle pädagogischen Kräfte und bitten Sie um Ihre Unterstützung.

Die streikenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Meerbuscher Kindertagesstätten

Sehr geehrte Damen und Herren,

als vom Kita-Streik betroffene Eltern möchten wir Ihnen unser Unverständnis darüber ausdrücken, Ihren Arbeitskampf ausschließlich auf den Schultern der Eltern und Kinder auszutragen. Wir wertschätzen die Arbeit der Erzieherinnen in der Kita unseres Kindes sehr, sind jederzeit zu Hilfe und Unterstützung ihrer Arbeit bereit. Auch stehen wir einer Erhöhung der Gehälter in sozialen Berufen durchaus unterstützend gegenüber. Dennoch empfinden wir es als unsozial und verantwortungslos, in einem so sensiblen Bereich, der das Erwerbs- und Privatleben der Familien in gravierender Weise beeinflusst, unbefristet zu streiken! Welche Wirkung diese Aktion zudem auf die Kinder hat, die nun ohne Eingewöhnung ,verwahrt' werden müssen, da die Eltern ihrer Arbeit nachzugehen haben, ist nur zu erahnen. Von Seiten der Gewerkschaften wird argumentiert, ein Streik müsse Druck aufbauen (...). Bedenken Sie aber, dass Ihr ,Streikgegner' nicht wir Eltern oder die Kinder sind, sondern die öffentlichen Arbeitgeber. Diese jedoch verdienen an jedem Tag, an dem die Kitas geschlossen sind (...). Der Druck lastet somit nicht - oder nur sehr indirekt über dem Druck, den wiederum wir Eltern aufbauen - auf Ihrem Verhandlungspartner. Der finanzielle und persönliche Druck lastet auf den Familien! (...) Sollte auch von Seiten der Gewerkschaften anderes behauptet werden, so seien Sie versichert, dass von Seiten der Elternschaft kein Verständnis für die von Ihnen gestartete Streikaktion vorhanden ist und Sie die Solidarität der Elterschaft zur Unterstützung Ihrer Forderungen Streiktag für Streiktag mehr verlieren. Der Elternbeirat der Meerbuscher Kindertagesstätte "Rasselbande"

(RP)
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