Meerbusch Großes Interesse an neuen Nachbarn

Meerbusch · Die Flüchtlinge in den unterschiedlichen Unterkünften waren gestern Abend Thema einer Info-Veranstaltung, zu der die Stadt ins Meerbusch-Gymnasium eingeladen hatte. Die Stimmung schwankte zwischen Anteilnahme und Sorge

 Die Aula des Gymnasiums war gut besucht: Mehr als zwei Stunden wurden alle Fragen rund um die Flüchtlingsarbeit in Meerbusch beantwortet.

Die Aula des Gymnasiums war gut besucht: Mehr als zwei Stunden wurden alle Fragen rund um die Flüchtlingsarbeit in Meerbusch beantwortet.

Foto: Stefan B�ntig

Die Menschen, um die es ging, waren nur wenige Meter entfernt. Seit zwei Tagen leben 150 Flüchtlinge in der Erstunterkunft, die in den Turnhallen des Meerbusch-Gymnasiums in Strümp eingerichtet wurde. In den nächsten Tagen werden weitere Flüchtlinge dort erwartet - 398 haben Platz. Und genau dort, Tür an Tür mit diesen Flüchtlingen, trafen sich gestern Abend auf Einladung der Stadt Meerbusch mehr als 300 Nachbarn, Anwohner, Interessierte. Sie hatten viele Fragen an Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage. Sie saß gemeinsam mit dem Ersten Beigeordneten Frank Maatz, Dieter Guderley und Berit Sonnenburg von den Johannitern sowie Ulli Dackweiler vom Verein "Meerbusch hilft" auf dem Podium.

Die erste Frage traf gleich den Kern vieler Eltern, Lehrer und Schüler: "Was passiert eigentlich mit dem Sportunterricht der Kinder?" Frank Maatz berichtete von "gegenseitiger Unterstützung" aller Schulen, dass die Kinder auch andere Räume für den Sport nutzen, dass sie aber auch eventuell sogar nach Düsseldorf ausweichen müssen. Die Frage nach Hallen, die ebenfalls nicht mehr für das Vereinstraining zur Verfügung stehen, treibt auch den Stadt-Sport-Verband um. In einem Schreiben an die Stadt baten seine Vertreter um eine gerechte Lösung mit dem Ziel, dass vor allem die Wettkampfsportler bald wieder trainieren können.

Berit Sonnenburg und Dieter Guderley von den Johannitern, Angelika Mielke-Westerlage und Frank Maatz (v.l.) beantworteten die Fragen.

Berit Sonnenburg und Dieter Guderley von den Johannitern, Angelika Mielke-Westerlage und Frank Maatz (v.l.) beantworteten die Fragen.

Foto: Stefan B�ntig

Gestern abend ging es aber auch um Geld. Ein Besucher wollte wissen, wie viel Geld für die Flüchtlinge aufgebracht werden müsse. "Müssen dann wir Steuerzahler das aufbringen?" Mielke-Westerlage: "Wir haben im nächsten Haushalt zehn Millionen Euro im Etat für die Flüchtlinge, aber vom Land kommen die Mittel für den Betrieb der Notunterkünfte." Woher das Geld kommt, so der Fragesteller. "Aus Steuermitteln", konnte die Verwaltungschefin nur antworten. Weitere Sorgen der Besucher klangen diffus.

Ein Besucher meinte, nach der "Sicherheit für unsere Kinder" fragen zu müssen. "Wir können ja nur hoffen, dass es alles nette Flüchtlinge sind, die bei uns leben." Eine Besucherin erkundigte sich danach, ob die Flüchtlinge denn auch ihre Pflichten kennen würden, ein anderer interessierte sich dafür, ob Schüler in Kontakt mit Flüchtlingen kommen. Berit Sonnenburg von den Johannitern war es dann, die mit ihrer emotionalen Schilderung das Eis brach. Sie erzählte, wie glücklich die Flüchtlinge seien, die nach oft wochenlanger Flucht ("ohne Socken mit kaputten Füßen") einfach nur die ersten zwei Tage auf ihrem Feldbett liegen bleiben und die Ruhe genießen. Sie erzählte von Flüchtlingen, die ohne zu fragen, den kompletten Müllberg wegräumen - "und das jeden Tag um 6 Uhr, ohne zu fragen". Von Frauen, die einfach im Alltagsbetrieb mithelfen, von unterschiedlichen Religionsangehörigen, die sich mit viel Toleranz begegnen. "Ich habe die Flüchtlinge als höflich, zuvorkommend und hilfsbereit kennengelernt", erzählte sie. Sie habe aber auch Fotos von der Flucht gesehen, habe Bilder von Schleuser-Lkw im Kopf oder von proppevollen Booten. "Das sind dann die Menschen, die bei uns leben. Das ist anders, als wenn man einen Fernsehbericht sieht." Sie erzählt davon, dass die Eltern keine Wechselwindel kennen, dass sie langsam das Wort "Waschpulver" lernen ("Ich kann das nicht in Arabisch aussprechen"), dass sie mit ihren Kindern basteln und puzzeln. Nach ihren Erzählungen, für die sie spontanen Applaus bekam, sprang ein Besucher auf und meinte nur: "Warum hört man das nicht häufiger? Das berührt einen ja sofort." Sonnenburg ermunterte alle Meerbuscher, wenn sie einem Flüchtling begegnen, ihn einfach anzulächeln. "Sie können nichts falsch machen. Manche brauchen Hilfe, beispielsweise, wenn sie einen Arzt aufsuchen und von uns nur einen Zettel mit der Adresse bekommen. Bitte gehen Sie auf sie zu und helfen Sie."

In ihren einleitenden Worten hatten Mielke-Westerlage und Maatz zu Beginn des Abends noch einmal die Situation erklärt und mit einer Vergleichszahl deutlich gemacht: 2014 kamen 2,1 Flüchtlinge pro Woche nach Meerbusch, in diesem Jahr werden es 26 bis 36 sein. Im ganzen Jahr 2012 seien 24 Asylbewerber nach Meerbusch gekommen, 2013 dann 61, 2014 schon 112. Aber 2015 werden es vermutlich mehr als 730 sein. Neben den Notunterkünften gibt es noch feste Einrichtungen und sollen demnächst neue Wohnungen entstehen. Außerdem sollen 60 Asylsuchende in das Pfarrheim von Hildegundis von Meer einziehen.

Wie sich die Situation entwickeln wird, könne man nicht vorhersagen, so Maatz. "Es gibt keine kurzfristige Änderung, dafür gibt es zu viele Kriege und Katastrophen auf anderen Kontinenten."

Diese Menschen helfen Flüchtlingen
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Die Besucher der Info-Veranstaltungen baten nach zwei Stunden darum, dass ein solches Treffen einfach mal wiederholt werde. Diese Anregung nahm Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage gerne mit nach Hause.

(RP)
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