Meerbusch Der treudeutsche Flüchtling aus Syrien

Meerbusch · Mohammad Albonie floh vor dem Krieg aus der syrischen Handballhochburg Hama. Jetzt verstärkt er das Team von Treudeutsch Lank

 Nach den Strapazen der Flucht kann Mohammad Albonie nun wieder lächeln - der Sport hilft ihm, sich in seiner neuen Heimat zu integrieren.

Nach den Strapazen der Flucht kann Mohammad Albonie nun wieder lächeln - der Sport hilft ihm, sich in seiner neuen Heimat zu integrieren.

Foto: Falk Janning

Mehr als 7000 Sprachen werden auf der Welt gesprochen. Doch eine Sprache verstehen alle: Sport. Den besten Beweis dazu liefert derzeit Mohammad Albonie. Der 25-Jährige, der vor dem Krieg in Syrien geflüchtet ist und seit einigen Wochen in Bösinghoven lebt, hat sich den Verbandsliga-Handballern von Treudeutsch Lank angeschlossen. Und obwohl er kein Wort deutsch spricht, kann er sich mit den Sportlern um Trainer Hubert Krouß bestens verständigen.

"Mohammad ist in der Mannschaft sportlich voll integriert", sagt der TDL-Coach. "Wir wissen kaum etwas Persönliches über ihn, aber auf dem Handballfeld klappt die Verständigung bestens. Und wenn es etwas komplizierter oder komplexer wird, dann kann ich ihm das anhand der Taktiktafel erklären." Mohammad Albonie sitzt Kaugummi kauend gemeinsam mit seinem Trainer vor dem Eingang zur Forstenberg-Sporthalle - Sportschuhe, ein modischer Bart, blaues T-Shirt und eine blaue Trainingshose. An seiner Seite hockt ein Landsmann, der ein paar Brocken englisch kann und beim Übersetzen hilft.

Mohammad Albonie lächelt verlegen, als er nach seinen Sporthelden gefragt wird. Dann outet er sich als Kenner der deutschen und europäischen Handballszene. "Kim Andersson ist mein Vorbild, der hat beim THW Kiel gespielt", sagt der Syrer so leise, dass man ihn kaum versteht. Sein Trainer staunt über das Wissen, nickt anerkennend. Und dann nennt sein neuer Spieler noch den französischen Nationalspieler Nikola Karabatiæ, der zweimal Welthandballer war, als weiteres Vorbild. Syrische Handballhelden könne er nicht nennen. "Da gibt es keine", sagt Albonie.

Der schüchtern wirkende Syrer hat die Flucht aus seinem kriegsumtobten Heimatland gewagt und dabei seine Eltern, drei Schwestern und einen Bruder zurückgelassen. Märchen aus Tausendundeiner Nacht klingen anders, als wenn Albonie aus seiner Heimat und von seiner Flucht erzählt.

Albonie wuchs in Hama in Mittelsyrien auf. Die als konservativ geltende Stadt liegt an der Fernstraße zwischen Aleppo und Damaskus. Sie gehört zu den ältesten durchgehend besiedelten Städten Syriens. Die Altstadt wurde größtenteils zerstört, als syrische Streitkräfte 1982 beim so genannten "Massaker von Hama" die Stadt im Kampf gegen die regierungsfeindlichen Muslimbrüder angriffen und dabei 30 000 Menschen umbrachten. Albonies Vater hat einen Laden in einem der Häuser, die in der Altstadt stehen geblieben sind - er ist Tuchhändler.

Albonie benötigte mehr als anderthalb Monate bis nach Deutschland, er reiste per Bus und Bahn über die Türkei, Mazedonien und Österreich nach Deutschland. "Über die Grenze in die Türkei zu kommen, war kein Problem, sie ist offen", berichtet er. Untergekommen ist er gemeinsam mit 27 weiteren Syrern erst einmal im Flüchtlingsaufnahmelager in Bösinghoven, in der Alten Schule. Ein Zwei-Bett-Zimmer teilt er sich mit einem Landsmann. Nun muss er warten.

Mit leuchtenden Augen erzählt er vom Handballsport, der ihn so sehr fasziniert. In Syrien war er zwar auch Badminton-Nationalspieler, doch sein Herz hat er an den Ballsport verloren. "Fußball ist in Syrien Sport Nummer eins", berichtet der Syrer. Aber in Hama sei das anders, da werde beinahe nur Handball gespielt. "So wie in Lank", sagt Krouß und lacht.

Im Alter von sieben Jahren begann Albonie Handball zu spielen. Er gehörte einem von drei Teams aus der Handball-Hochburg Hama an, die zur ersten syrischen Liga gehören. Einer seiner ehemaligen Mitspieler schaffte den Weg in die Nationalmannschaft von Katar, stand vor kurzem im WM-Endspiel. Albonie träumt auch von einer Handball-Karriere. Zuletzt hat er wegen des Krieges nicht mehr spielen und trainieren können. Bei Treudeutsch hat er die komplette Vorbereitung mitgemacht und die ersten Freundschaftsspiele absolviert. Wie er sich fühlt? "Total müde, weil die Belastung nach meiner Trainingspause so ungewohnt war", sagt er. Hubert Krouß ist begeistert von seinem neuen Schützling. "Er ist gut ausgebildet, athletisch und sehr schnell. Er kann in der Rückraum-Mitte spielen und als vorgezogener Abwehrspieler."

Albonie vermisst seine Familie, wie er sagt. Aber mit seiner Flucht nimmt er in Kauf, dass er sie nicht mehr so schnell sehen wird. Per Internet ist er in Kontakt mit ihnen. In Syrien will er nicht mehr leben. In Hama sei es derzeit zwar relativ ruhig, aber von allen Seiten drohe Gewalt. Er möchte, dass sein Bruder ihm bald folgt. Die Eltern selbst wollten nicht mehr nach Deutschland mitkommen.

In Deutschland fühlt er sich wohl. Milchreis hat er neu entdeckt, das ist derzeit seine Lieblingsspeise. Von der Mannschaft ist er gut aufgenommen worden - auch im Trainingslager war er dabei. Die fünf Kilometer Distanz zwischen Bösinghoven und dem Training in der Forstenberghalle legt er mit dem Fahrrad zurück.

Über die Vergangenheit und die Zukunft macht er sich lieber keine Gedanken, das verdrängt er. Gerne spricht er stattdessen über Handball. Er freut sich ehrlich über das Hier und Jetzt und die anstehenden Partien mit Treudeutsch in der Verbandsliga.

(RP)
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