Meerbusch Der einzige Isländer im ganzen Kreis

Meerbusch · Kristenn Gunnarsson ist der einzige Isländer in Meerbusch und im Kreis Neuss. An diesem Abend drücken er und seine Familie dem isländischen Nationalteam während des Spiels gegen Ungarn die Daumen.

 Gucken heute zusammen das Spiel Island gegen Ungarn: Die Eltern Kirsten und Kristenn mit den Kindern Lilja (18), Max (12) und Karlotta (6).

Gucken heute zusammen das Spiel Island gegen Ungarn: Die Eltern Kirsten und Kristenn mit den Kindern Lilja (18), Max (12) und Karlotta (6).

Foto: Falk Janning

Die Europameisterschaft werden die Isländer vermutlich nicht gewinnen, dafür haben sie beim 1:1 gegen Portugal aber die Herzen der Fußball-Fans erobert. Und die Kicker und Fans des sympathischen Außenseiters feierten das Remis stimmungsvoll wie einen Sieg. Heute trifft das kleinste Land, das je an einer EM teilnahm, auf Ungarn. Ein Meerbuscher drückt ihm dabei ganz besonders die Daumen: Kristenn Gunnarsson - er ist der einzige Isländer im Kreis Neuss.

Der 47-Jährige wohnt mit seiner Familie in Büderich. Dort fiebern er, seine Frau Kirsten und die drei Kinder Lilja (18), Max (12) und Karlotta (6) vor dem heimischen Fernseher mit dem Team, das sich erstmals für eine Europameisterschaft qualifiziert hat. "Alle meine deutschen Freunde drücken meiner Mannschaft die Daumen", sagt Kristen Gunnarsson begeistert. In der Qualifikation besiegte Island zweimal die Niederlande. Möglicherweise ist das auch ein Grund für die Zuneigung der Deutschen.

"26.000 meiner Landsleute sind in Frankreich, etwa acht Prozent der Bevölkerung", sagt Kristenn Gunnarsson. "Ganze Familien haben sich mit ihren Kindern auf den Weg gemacht. Ich kenne kaum einen, der nicht nach Frankreich gefahren ist. In Reykjavik kann ich derzeit niemanden erreichen. Die Stadt scheint menschenleer." Von den Bekannten bei der EM weiß er, dass es für sie kein Problem war, an Karten zu kommen. "Jeder meiner Freunde hat genau die Tickets bekommen, die er bestellt hatte."

Kristenn Gunnarsson wohnt schon seit 20 Jahren in Deutschland. Als BWL-Student kam er nach Aachen, studierte später in Trier und blieb der Liebe wegen. Dabei leidet er an den Symptomen, an denen alle Isländer leiden, die sich länger im Ausland aufhalten - die große Sehnsucht nach der Heimat. Das Heimweh ist bei ihm auch nach zwei Jahrzehnten immer noch so groß, dass er monatlich einmal nach Reykjavik fliegt, um seine Eltern, Verwandten und Freunde zu besuchen - und um in die grandiose Natur einzutauchen. "Wir Isländer halten es in der Regel nicht allzu lange im Ausland aus, weil wir eine so sehr starke Bindung zu unserem Land, der Familie und den Menschen haben. Meine Oma hat mich 20 Jahre lang jede Woche gefragt, wann ich wieder zurückkomme", sagt er. "Das Zwischenmenschliche ist sehr stark. Wenn wir miteinander sprechen, dann ist es oft tiefsinnig und überhaupt nicht oberflächlich." Wenn er von seiner Heimat und den so überaus positiven, fröhlichen und optimistischen Menschen berichtet, strahlt er über das ganze Gesicht. "Wenn ich meine Mutter anrufe und nach dem Wetter frage, ist es immer schön, auch wenn gerade bei minus 15 Grad ein Schneesturm über die Insel fegt", sagt er.

Während der EM äußert sich die Verbundenheit mit dem Land nun in der Begeisterung für Knattspyrna (so das isländische Wort für Fußball). Dabei ist gar nicht der Sport Nummer eins auf der Insel, sondern Handball. Knattspyrna wird wegen des unberechenbaren Wetters nur im Sommer gespielt. "Wir haben die kürzeste Erstligasaison der Welt, wir spielen nur von Mai bis September", sagt der Mann, der ein eigenes Label für Funktionskleidung hat.

"Gegen Ungarn werden wir gewinnen", sagt Kristenn Gunnarsson im Brustton der Überzeugung. "Aber egal wie wir abschneiden, diese Spieler werden für alle Zeiten unsere Helden sein."

(RP)
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