Digital Farming in Langenfeld Wenn Traktoren aus dem All gesteuert werden

Leverkusen · Weltweit forschen Firmen daran, Landwirtschaft durch digitale Technologien effizienter zu machen. In Langenfeld arbeitet der Leverkusener Konzern Bayer an solchen Hilfsmitteln. Landwirte glauben an die Möglichkeiten, sind aber noch skeptisch. Ein Fragezeichen steht hinter der Datensicherheit.

 Rolf Schmidt steuert einen Traktor auf dem Laacher Hof in Monheim. Obwohl das Gefährt keine High-End-Ausrüstung hat, steckt jede Menge Technik in dem Schlepper.

Rolf Schmidt steuert einen Traktor auf dem Laacher Hof in Monheim. Obwohl das Gefährt keine High-End-Ausrüstung hat, steckt jede Menge Technik in dem Schlepper.

Foto: Matzerath, Ralph

Bevor Landwirt Torsten Mühlinghaus Pflanzenschutzmittel benutzt, überlegt er sich das gut. "Schließlich kosten die Mittel ein Schweinegeld", sagt der Wermelskirchener. "Zuallererst gehe ich auf das Feld, schaue mir die Pflanzen selber an, und überlege dann, welche Maßnahmen ich einleite", erklärt der 48-Jährige. "Ich verlasse mich auf mein Fachwissen, schließlich habe ich inzwischen mehr als 25 Jahre Berufserfahrung." Landwirtschaft und wirtschaftliches Risiko, diese Begriffe gingen einher. "Deshalb vertraue ich erstmal mir selbst."

Moderne Technik soll Landwirten wie Torsten Mühlinghaus in Zukunft helfen, das wirtschaftliche Risiko gering zu halten. Weltweit forschen Firmen daran, durch digitale Technologien Kosten zu sparen und den Ertrag zu steigern. Die Branche nennt dieses Forschungsfeld "Digital Farming". "Ziel ist es, die Potenziale eines landwirtschaftlichen Standorts optimal auszunutzen", sagt Agrarökonom Björn Kiepe von Bayer.

Mit Standort meint Kiepe die Boden- und Klimabedingungen auf einem Stück Ackerland. Ein Beispiel: "Es gibt Böden, die sandig sind. An anderen Stellen liegt Ton." Das habe Folgen für die Wasserdurchlässigkeit und damit Auswirkungen auf das Wachstum von Nutzpflanzen. "Unser Ziel ist es, möglichst viele Daten zu den Bedingungen zusammenzutragen, sie auszuwerten und damit Handlungsempfehlungen für die Landwirte bereitzustellen", sagt Kiepe.

Vor zwei Jahren hat Bayer eine Entwicklungsabteilung zum Thema digitale Landwirtschaft gegründet. Die Abteilung hat ihren Sitz in Langenfeld, getestet wird am Laacher Hof, einem Landwirtschaftsbetrieb in Monheim, der zu Bayer gehört.

Datenbasierte Prognose soll das Bauchgefühl des Landwirts ersetzen

Die Vision der Forscher ist es, das Bauchgefühl des Landwirts durch eine datenbasierte Prognose zu ersetzen. Thomas Schilling, IT-Experte bei Bayer, deutet auf seinen Bildschirm. Darauf ist eine Satellitenkarte zu sehen. Ein Acker ist rot umrandet. In einer Menüspalte wählt Schilling verschiedene Parameter aus, je nach Auswahl verfärbt sich die Karte. "Das Programm wertet zum Beispiel Wetterdaten aus und erkennt so, wann das Risiko für eine bestimmte Pflanzenkrankheit am größten ist", sagt Schilling. Bei "Septoria Tritici", dem Erreger der Blattdürre, steht ein roter Punkt, der für hohes Risiko steht. "Der richtige Zeitpunkt dagegen vorzugehen, wäre jetzt", sagt Schilling.

Digital Farming funktioniert mit Satellitendaten

Die Daten liefern Satelliten. Sie fotografieren die Ackerflächen aus dem All und liefern Werte über die Bodenbeschaffenheit, zum Wetter oder der Dichte der Bepflanzung. Ein Programm errechnet mit Hilfe der Satellitendaten zentimetergenau beispielsweise, an welchen Stellen des Feldes nachgedüngt werden muss. "Mit einem USB-Stick können diese Daten auf einen Traktor übertragen werden", sagt Schilling. Ein automatisch fahrender Schlepper würde dann das ausführen, was das Programm mit den Daten errechnet hat: Dort, wo viele Pflanzen stehen, sprüht das Programm wenig Dünger, dort, wo die Pflanzen noch schmächtig sind, viel. Alles automatisch und auf den Zentimeter exakt. Experten sehen darin zwei Vorteile: Der Landwirt spart Ressourcen und es wird nicht mehr gedüngt als nötig, was gut für die Umwelt ist.

"Die Zukunft muss sein, dass die Daten mit Telemetrie in den Traktor kommen. Das heißt, das Programm könnte in eine Cloud geladen werden, von wo aus sich der Traktor die Programme herunterlädt", sagt Schilling. In Zukunft sollen Landwirte die Daten schon beim Frühstück per App abrufen können.

Landwirt Torsten Mühlinghaus hält digitale Hilfsmittel in der Landwirtschaft für sinnvoll, aber er bleibt skeptisch. "Wenn ich morgens die Wetterberichte vergleiche, sagen sie oft alle etwas Anderes. Wie soll da eine Empfehlung exakt sein?", kritisiert er. "Aber ich glaube, dass in zehn Jahren der Schlepper aufs Feld fährt und der Landwirt am Rand Platz nimmt und sich anderen Dingen widmen kann."

In den USA fahren Traktoren schon allein

Der Trend geht zur Automatisierung. Auf dem Hof deutet Schilling auf einen weißen Kasten an einem Traktor, ein GPS-Gerät, mit dem Fahrzeuge ferngesteuert werden können. "Das, was wir im Straßenverkehr als Wunschvorstellung haben, ist auf dem Feld schon Realität", sagt der Informatiker. "Wir können die Fahrzeuge auf zwei Zentimeter genau steuern." Ein Landwirt müsse zwar noch immer dabei sein, um im Falle von Fehlern eingreifen zu können, ansonsten aber arbeite der Traktor von allein.

Bio-Skandale und ihre Risiken
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Foto: dpa, Andreas Gebert

In den USA sei das schon gang und gäbe, berichtet Mühlinghaus. Er selber sitze noch auf dem Traktor. "Aber wir haben schon technische Hilfen, die uns dabei helfen, nicht zu überdüngen", sagt er. "Wenn wir alle technischen Möglichkeiten ausnutzen, haben wir die Chance, die Erträge um bis zu 20 Prozent zu steigern", sagt Agrarökonom Kiepe.

Experten warnen vor Risiken

Digital Farming biete viele Chancen, Experten sehen aber auch Risiken. Etwa stehe ein Fragezeichen hinter der Sicherheit der Daten. "Es werden viele Daten erhoben, die Dritte zu ihrem Vorteil nutzen könnten", sagt Peter Pascher vom Deutschen Bauernverband. "Mit Informationen über die Beschaffenheit von Flächen könnten etwa Konkurrenten den Wettbewerb auf dem Bodenmarkt beeinflussen."

Bedenken äußern auch Umweltschützer. "Wenn die Technik dazu beiträgt, dass auf einer Fläche effizienter und präziser gespritzt wird, ist das positiv", sagt Christian Rehmer, der Leiter der Abteilung Agrarpolitik beim BUND. "Wenn aber eine ökologische Anbaufläche dadurch zu einer hochintensiv bewirtschafteten Fläche gemacht wird, hat das negative Auswirkungen."

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