Analyse Feinstaub Und Gesundheit Umweltkiller oder Seifenblase?

Leverkusen · Diskussion um Gesundheitsrisiken durch Dieselautos braucht Sachlichkeit.

 Protest in Leverkusen - Feinstaub bewegt die Menschen.

Protest in Leverkusen - Feinstaub bewegt die Menschen.

Foto: um (Archiv)

Leverkusen Zwei ausgewiesene Medizinexperten, zwei Meinungen, die unterschiedlicher kaum sein können. Der Medizinprofessor Karl Lauterbach sagt: Feinstaub ist ein Umweltkiller - "in Deutschland sterben jährlich daran geschätzt 60.000 Menschen". Der Lungenspezialist Dieter Köhler aus Schmallenberg kann die derzeitige Aufregung um den Feinstaub aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehen. Offizielle Gesundheitsstudien seien "Seifenblasen" wird Köhler von den Stuttgarter Nachrichten zitiert. Die Gesundheitsgefahren durch Feistaub und Stickoxide würden bewusst aufgebauscht. Es gehe um Arbeitsplätze und Forschungsgelder, um Opportunismus und Ideologie.

Beide sind Medizinprofessoren. Köhler war fünf Jahre lang Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Universitätsgelehrter in Marburg und Freiburg. Jetzt ist er im Ruhestand und betont seine Unabhängigkeit. Lauterbach ist Professor für Gesundheitspolitik und -management an der T.H. Chan Schule für öffentliche Gesundheit in Harvard und SPD-Bundestagsabgeordneter in Leverkusen. Wer hat Recht?

Mit einer an seiner eigenen Hochschule erstellten Feinstaub-Studie hatte Lauterbach Wahlkampf gemacht. Die Studie, für die Daten von 60 Millionen US-Bürgern ausgewertet wurden, besagt verkürzt, dass eine langfristige Belastung mit Feinstaub-Partikeln und Ozon das Risiko eines vorzeitigen Todes selbst dann erhöht, wenn die Belastung unter den in den USA gültigen Grenzwerten liegt. 12.000 Menschenleben ließen sich in den USA retten, würde das Niveau der Feinstaub-Belastung nur um ein Mikrogramm pro Kubikmeter gesenkt.

Was sind solche Studien wert? Sie beantworten allgemeine Fragen, zeigen Zusammenhänge. Eine Langzeitstudie der Universität Düsseldorf belegt, dass Feinstaub das Herz-Kreislaufsystem äußerst negativ beeinflussen kann, andere Studien konnten nachweisen, dass Feinstaub Krebs erzeugt oder auch das Schlaganfall-Risiko erhöht. Eine konkrete Auskunft darüber, ab welchen Belastungen konkrete Gesundheitsgefahren entstehen, geben diese Studien aber nicht. Entsprechend willkürlich sind Grenzwerte. Medizinisch zu begründen sind sie nicht. Die Folge: Die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation, der EU und der USA sind unterschiedlich gesetzt. Weitere Unwägbarkeiten kommen hinzu.

In Leverkusen gibt es lediglich zwei Messstationen, eine an der Gustav-Heinemann-Straße und eine weitere ein Manfort. Sind ihre Messwerte repräsentativ für die Innenstadt oder für das Stadtgebiet? Und schließlich: Autos sind Erhebungen zufolge nur für einen Teil des Feinstaubausstoßes verantwortlich. Kohlekraftwerke sind es ebenso wie Holzverfeuerungen in Kaminen. Als größter Feinstaubproduzent gilt die Landwirtschaft. Wer also lieber aufs Land zieht, sollte sich vorsehen. Im Dorf Bösel im niedersächsischen "Schweinegürtel" liegt die Feinstaubbelastung bei 57 Mikrogramm/Kubikmeter - an der Gustav-Heinemann-Straße sind es 46, an der weiteren Messstelle 27.

(bu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort