Leverkusen Tod nach Magen-Verkleinerung

Leverkusen · Nach einer Magenoperation ist eine 22-jährige Rheindorferin im September 2009 gestorben. Die junge Frau wollte mit der OP ihre Gewichtsprobleme in den Griff bekommen. Die Mutter von Barbara P. erhebt Vorwürfe und warnt.

"Dick sein ist 'ne Quälerei", sang Marius Müller-Westernhagen. Richtig. Dicken fällt fast jeder Schritt schwer. Für Dicke gibt's nichts anzuziehen, bei Dicken sind gesundheitliche Probleme einschließlich Knochenveränderungen programmiert. Das gilt besonders für Menschen oberhalb der 150-Kilo-Grenze. Sie leiden so unter ihrem Gewicht, dass viele nur einen Ausweg sehen: eine Magen-Bypass-Operation. Barbara P. aus Rheindorf starb nach einem solchem Eingriff, der im Klinikum ausgeführt wurde. Die Rheindorferin wurde nur 22 Jahre alt.

Bei der als "Schlüssel zum wundersamen Gewichtsschwund" gepriesenen OP-Methode werden zwei Drittel oder mehr vom Magen entfernt — für rasches Abnehmen. Bei Franz Peter R. aus Aachen, dem bis dahin mit 370 Kilo schwersten deutschen Mann, hat es funktioniert. Ebenso bei der 230 Kilo schweren Iris S. aus Steinbüchel.

Mutter schaltete Anwalt ein

Barbara P. starb am 24. September 2009. Offizielle Todesursache: Organversagen. Helena P., die Mutter, "kann das so nicht stehen lassen." Sie ging mit der Geschichte an die Öffentlichkeit und schaltete einen Anwalt ein. Den Ärzten wirft die Rheindorferin Fehlverhalten vor. Sie hätten erkennen müssen, dass ihre Tochter nicht zur Operation bereit gewesen sei.

Trotz dreiwöchiger Hungerkur wog die 1,80 Meter lange Barbara 180 Kilo. Die Patientin musste während des Eingriffs aufrecht gelagert werden, anders hätten die Mediziner den Magen nicht erreichen können. "Das ist nicht ungewöhnlich", sagt Professor Dr. Karl-Heinz Vestweber, Leiter der Klinikum-Allgemeinchirurgie und zuständig für das Zentrum für Metabolische Adipositas-Chirurgie (ZMAC). OP-Tische könnten "in jede Richtung verstellt" werden.

Eine Infektion mit dem in Krankenhäusern häufig vorkommenden MRSA-Bakterium hätten die Ärzte übersehen beziehungsweise verharmlost, sagt die Mutter weiter. Jährlich sterben rund 700 Menschen infolge einer Infektion mit dem MRSA-Erreger, der zu Lungenentzündung, Muskelerkrankungen oder Blutvergiftung führen kann.

Obwohl Patientensicherheit "immer an erster Stelle steht", sei dieser Fall "ganz unglücklich" geendet, sagt Vestweber. Auch bei der Kostenzusage der Krankenkasse sei einiges schief gelaufen, schildert Helena P.. Der medizinische Dienst der AOK habe ihrer Tochter sogar empfohlen, auf die Operation "wegen psychischer Probleme" zu verzichten.

Einen weiteren Vorwurf richtet die Mutter gegen die vom Klinikum eingerichtete Adipositas-Selbsthilfegruppe. An jedem dritten Montag treffen sich dort 50 Menschen aus NRW. Es werde zu wenig über Ernährungsumstellung informiert, sagt Helena P., die ihre Tochter begleitete. Vielmehr werde stark für die OP als Lösung geworben. Über Risiken, wie postoperative, nicht kontrollierbare Fehl- oder Mangelernährung sowie Funktionsstörungen an Leber oder Darm werde zu wenig bis gar nicht aufgeklärt. Wegen ihrer Kritik sei sie zur unerwünschten Person erklärt worden, sogar ihr Zugang zum Internet-Gästebuch des Klinikums sei gesperrt worden.

Hilfe bei der Aufklärung des Todes ihrer Tochter soll die "Initiative geschädigte Patienten" (IgPLev) bringen. Vereinsmitglied Ferdinand Niebel bezeichnete es als "Unding", dass es in der Klinik offensichtlich keine aktuelle Statistik gebe. Es sei eine ethische Frage, wenn es, wie geschehen, zu Komplikationen komme, an denen Menschen sterben könnten. Patienten, so Niebel, würden alles unterschreiben, immer in der Hoffnung auf schnelle Hilfe. Aber: Familie und Öffentlichkeit müssten Verantwortung übernehmen.

Bis zu 7,5 Prozent sterben

Wie groß das Risiko war, scheint weder Barbara P. noch ihrer Familie klar gewesen zu sein. Nach einer Studie aus den Niederlanden überleben 1,5 bis 7,5 Prozent der Patienten den Eingriff im ersten Jahr nicht. Nach 30 Tagen liegt die Sterberate zwischen 0,1 und 4,9 Prozent. Zahlen aus dem Klinikum liegen tatsächlich nicht vor, seien aber, so Vestweber, mit den niederländischen durchaus vergleichbar.

In Leverkusen wird der Magen-Bypass seit 2008 gelegt, nachdem "die Patienten mit krankhaftem Übergewicht lange und sorgfältig auf den Eingriff vorbereitet" und über das hohe Risiko aufgeklärt worden seien, sagt Vestweber. "Es wird nur operiert, wenn nichts anderes geht." Barbaras Mutter hat ein Ziel: Dass alle Betroffenen ganz klar erkennen, auf was sie sich einlassen und wie hoch das Risiko dieser lebensgefährlichen Operation ist. Kontakt: Telefon 0214 2 45 51.

(RP)
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