Leverkusen Tauwetter beim Klarinetten-Einsatz

Leverkusen · David Orlowsky und die Lautten Compagney begeisterten im Schloss.

Vermutlich hätte Henry Purcell die moderne Klarinette geliebt, doch leider war sie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch nicht erfunden. Andernfalls hätte es sich vielleicht in der Barockzeit schon so anhören können wie im außergewöhnlichen Konzert im Schloss Morsbroich. Auf Einladung von KulturStadtLev trafen dort zwei Musikpartner zusammen, die einzeln in Leverkusen-Gastspielen schon hervorragendes Spiel und ungewöhnliche Programme präsentierten.

Wolfgang Katschner und seine Berliner Lautten Compagney gelten als Favoriten unter den deutschen Barockensembles, die sich aber nicht auf die historische Aufführungspraxis Alter Musik beschränken. Klarinettist David Orlowsky, der hier schon mit seinem Trio auftrat, mag Kompositionen aus den gängigen Stilistik-Schubladen befreien und neu zu erfinden.

Zusammen haben die Musiker nun Instrumental- und Vokalwerke von Henry Purcell neu aufgemischt und den Zuhörern im ausverkauften Spiegelsaal einen hinreißenden Abend beschert. Dass ihnen die Texte vorenthalten wurden, die doch eigentlich in diversen Arien aus unterschiedlichen Purcell-Opern nicht unerheblich sind, vermisste niemand. Dank der Ausdrucksfähigkeit von Orlowsky, der seinem Instrument tiefe Emotionen zu entlocken vermag. Und dank eines Barockensembles, das energiegeladen auf musikalischer Entdeckungsreise ist, das nicht in routiniertes Spiel verfällt, sondern Inhalte erlebbar macht. Beispielsweise den beißenden Frost in der Arie "Cold Genius" durch geradezu schmerzhaftes Kratzen der Streicher und hörbarem Tauwetter beim Einsatz der Klarinette.

Glücklicherweise wurden an diesem Abend Kompositions-Pakete geschnürt, die kürzere Stücke zu einer mehrsätzigen Einheit zusammenfassten. So hielt man Spannungsbögen und Gegensätze, ohne sie durch (verdienten) Applaus zu zerstören. Und so entstanden völlig neue Kompositionen aus dem Nachlass Purcells. Nicht nur wegen der Zusammenstellungen und der Einbindung der Klarinette, sondern vor allem wegen der durchweg frischen Spielweise und dem Sinn für prägnante Rhythmik, an der Percussionist Peter A. Bauer einen nicht unerheblichen Anteil hatte.

Er hatte ein reiches Instrumentarium dabei, das er nicht nur als Taktschläger nutzt. Er setzte faszinierende Akzente, egal ob mit der Maultrommel, mit Zwitscherflötchen oder mit dem Jazzbesen, der aus einer alten Schnürtrommel ungewohnte Laute zaubert und das Spiel der Kollegen ergänzt.

(mkl)
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