Leverkusen Schürt "Hart, aber fair" Fremdenhass?

Leverkusen · Ein Vorstoß von Moderator Frank Plasberg hat am Dienstag zu heftigen Diskussionen geführt. Hier einige Reaktionen.

 Berichten "Ja", identifizierbar machen "Nein" - so schreiben es Richtlinien und Gesetze vor. Das Foto stammt aus dem Prozess gegen eine Leverkusener Großfamilie.

Berichten "Ja", identifizierbar machen "Nein" - so schreiben es Richtlinien und Gesetze vor. Das Foto stammt aus dem Prozess gegen eine Leverkusener Großfamilie.

Foto: Miserius (ARchiv)

Dass die Diskussionsrunde "Hart, aber fair", die Moderator Frank Plasberg in den vergangenen Jahren zum Erfolgs-Format in der ARD entwickelt hat, immer wieder Reizthemen qualitativ hochwertig aufgreift, scheint Garant für gute Einschaltquoten zu sein.

Am Montagabend jedoch ging es in der Sendung um Einbruch und Trickbetrug - und ganz plötzlich trat der Moderator abseits der Debatten um Personalstärke der Polizei oder zu lasche Gerichtsurteile eine Diskussion um einen Nebenschauplatz los, der tags darauf zu heftigen Reaktionen von verschiedenen Seiten führte und die Frage aufwarf: Schürt "Hart, aber fair" Fremdenhass?

Plasberg hatte diverse Medien, vor allem die Regionalzeitungen, frontal angegriffen und dabei einen Fall aus Leverkusen erwähnt: Werde die Glaubwürdigkeit nicht zerstört, wollte er wissen, wenn eine Roma-Familie, wie schon geschehen, vor Gericht stehe und in der Zeitung nur von einer Großfamilie geschrieben werde - ohne Nennung des Namens oder der Identität?

Der Vorstoß lies am Dienstag sowohl Polizei-Vertretern, als auch Journalisten und Juristen teilweise die Haare zu Berge stehen. Denn eine Richtlinie des Pressekodex schreibt Journalisten ausdrücklich vor, Minderheiten nicht zu diskriminieren. Dort heißt es: "In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht." Alles andere könne "Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren".

Genauso sieht es ein Erlass des NRW-Innenministers von 2008. Ein Sprecher der Polizei Köln erklärte dazu auf Anfrage, die Polizisten seien ausdrücklich dazu angehalten, keine Stigmatisierungen, Kategorisierungen oder pauschale Bezeichnungen von Menschen vorzunehmen, weshalb auch in Polizeiberichten die Nationalität des Täters nur dann genannt werde, wenn sie für die Aufklärung eines Verbrechens absolut notwendig sei.

Der Stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Dr. Silvio Peritore, begrüßt diesen Kodex aus gutem Grund: "Es geht nicht um die Benennung von Nationalitäten, also der Staatsangehörigkeit", betonte er gestern, "sondern um die rechtswidrige Praxis der Kennzeichnung Beschuldigter mit ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder Religionsgemeinschaft (insbesondere gegenüber Juden und Sinti und Roma)." Die seien zur Vorbereitung des NS-Völkermordes schon damals "Opfer derartiger Propagandamechanismen" geworden.

Der Pressekodex spiegele fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats wieder. Sie jetzt wieder außer Kraft zu setzen, würde bedeuten, der Abschaffung des Rechtsstaats Vorschub zu leisten und die Demokratie zu schwächen. "Leider gibt es heute wieder rechtsextremistische Kräfte, die genau dieses Ziel anstreben", beklagt Peritore.

Der für "Hart, aber fair" zuständige WDR-Redakteur Matthias Radner versicherte am Dienstag: "Der Pressekodex ist für die Redaktion ,Hart aber fair' eine wichtige Richtschnur." Das bedeute aber nicht, dass man seine Vorgaben beziehungsweise Empfehlungen in einer kontroversen Runde nicht auch diskutieren oder hinterfragen könne. "Das fanden wir auch deshalb interessant, weil in der Bevölkerung in Leverkusen ja weitgehend bekannt ist, um wen es sich bei den Verurteilten handelt. Dennoch waren sich die Regionalzeitungen hier ihrer besonderen Verantwortung bewusst und haben sich an den Pressekodex gehalten." Man habe das auch "nicht bewertet, sondern lediglich faktisch dargestellt, um darüber anschließend unsere Runde diskutieren zu lassen".

Ist der Pressekodex also nach wie vor sinnvoll? Die Medienanwältin Karen Rinsche hat dazu eine klare Auffassung: "Warum sollte ein sorgfältig arbeitender Journalist Tatsachen, die allzu leicht Vorurteile schüren können, veröffentlichen, wenn er selbst darin keinen Beitrag zum Verständnis der Tat sieht?", fragte sie am Dienstag. Umgekehrt sollte eine Nennung von Ethnie oder Religion auch nicht schematisch abgestraft werden. Für Rinsche steht fest: "Die Presse braucht auf jeden Fall einen Spielraum, der Sachbezug muss nur ,begründbar', aber nicht notwendig nach Auffassung des Presserates auch begründet sein." Dann kann man hart, aber fair berichten.

(RP)
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