Leverkusen Schräge Tucholsky-Mischung

Leverkusen · Rezitator Friedrich-Wilhelm Junge bereitete dem Publikum im Leverkusener Erholungshaus mit seinem Soloprogramm einen gleichzeitig amüsanten wie nachdenklichen Abend.

Wie kommen die Löcher in den Käse? Schlichte und berechtigte Kinderfragen wie diese können nicht nur Eltern an den Rand ihrer Möglichkeiten bringen, sie sind auch geeignet, eine ganze Abendgesellschaft so zu beschäftigen, dass sich am Ende harte Fronten bilden. Kurt Tucholsky hat eine solche Szene erfunden und auf die Spitze getrieben, um daran die Eigenheiten des menschlichen Miteinanders vorzuführen.

Ein Text, der an sich köstlich zu lesen ist, aber der seine volle Wirkung erst entfaltet, wenn er von Friedrich-Wilhelm Junge vorgetragen wird: die Stimmen so voneinander abgegrenzt, dass unterschiedliche Charaktere deutlich werden. Für das Publikum der Bayer Kultur brachte der Schauspieler, unterstützt vom Michael-Fuchs-Trio mal wieder ein Soloprogramm auf die Erholungshausbühne.

Ironie und Sarkasmus

Dieses Mal sprach er in Worten von Kurt Tucholsky, worauf er gelegentlich gestisch aufmerksam machen musste, wenn allzu deutliche Reaktionen aus dem Publikum bei ihm ankamen. Reaktionen auf geschlechterspezifische Behauptungen wie "Männer sind nicht eitel, Frauen sind es...". Tucholsky war da nicht zimperlich und nahm kein Blatt vor den Mund. Aber genau diese Mischung von Humor, Ironie und auch Sarkasmus macht ja die Pointen seiner Texte aus, die aus dem ganz normalen Leben gesaugt sind. Er beschäftigte sich neben Themen wie Verlogenheit, Geld- und Karrieregier auch mit ganz profanen Beobachtungen wie dem fehlenden Aufhänger am Mantel. Es ist eine bunte Mischung, die Traute Schölling mit Friedrich-Wilhelm Junge unter dem Titel "Mancher lernt's nie" angerührt hat. Deftiges und Freches ebenso wie geistreiche Spitzfindigkeiten und Nuancen des leisen Humors.

Jedes lotete Junge auf seine Weise aus, rezitierend, lesend, spielend und getragen von beeindruckender Bühnenpräsenz. So schräg wie mancher Beitrag war auch das kleine Podest für sein Sofa gebaut, auf dem er mal hochkonzentriert auf der Lehne Platz nahm, mal locker und lässig ausgestreckt.

Beleuchtet von einer nostalgischen Laterne, die ebenso in die endenden 20er Jahre zurück versetzte wie die Musik im Ragtime-Sound. Ansonsten sind die Kompositionen und Arrangements von Michael Fuchs ein lebendiger Stilmix, der den Charakter der Texte aufgreift und unterstreicht. Mit diesem Gastspiel bescherte der Theaterkahn Dresdner Brettl einen wunderschönen, zugleich amüsanten und nachdenklichen Abend – nicht nur für Tucholsky-Fans.

(RP)
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