Leverkusen Richrath: "Die Gesellschaft driftet auseinander"

Leverkusen · Mehr als 150 Besucher drängten sich beim Arbeitnehmerempfang im Freudenthaler Sensenhammer. "Es gibt in Leverkusen wohl keine passendere Räumlichkeit für diesen Anlass", sagte Oberbürgermeister Uwe Richrath. Er hatte sich für den Wechsel eingesetzt, nachdem der Empfang vier Jahre ausschließlich im Ratssaal erfolgte.

 Oberbürgermeister Uwe Richrath sprach beim Arbeitnehmerempfang im Freudenthaler Sensenhammer

Oberbürgermeister Uwe Richrath sprach beim Arbeitnehmerempfang im Freudenthaler Sensenhammer

Foto: Uwe Miserius

Ein Wechsel ist wohl auch bei der Agentur für Arbeit geplant, wie Jörg Mährle vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Köln-Bonn mitteilte. Er habe gehört, dass der Antragsservice der Leistungsabteilung von Leverkusen nach Bergisch Gladbach verlegt werden solle. Es sei nicht in Ordnung, wenn monatlich 120 Arbeitnehmer keinen persönlichen Ansprechpartner vor Ort hätten, sagte Mährle.

Zur Wupsi-Wiedenhoff-Debatte bemerkte er: Die Wupsi habe alles getan, um Kosten zu reduzieren. Aber öffentlicher Nahverkehr sei nun mal ein Zuschussgeschäft. Private Betreiber würden unrentable Linien schließen und Fahrern einen Grundlohn in Höhe von 1800 Euro zahlten, während öffentliche Verkehrsunternehmen 2070 Euro böten."Wir alle brauchen Busse und Bahnen", betonte Mährle.

Im Zusammenhang mit dem Bürgerantrag auf Umbenennung der Otto-Grimm-Straße riet der Gewerkschaftssekretär, diesen intensiv zu prüfen.

Richrath erklärte, die Veränderungen in der Arbeitswelt - wie die Verlegung von Produktionsstätten in Billiglohnländer und Digitalisierung - machten es immer schwieriger, solidarisch zu sein und Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen. Zwar gehe es der deutschen Wirtschaft immer noch sehr gut, 2015 hätten die deutschen Exporte sogar einen Rekordwert erreicht. Längst aber hätten nicht mehr alle etwas davon.

Es gebe zunehmend Selbstständige, die im Grunde Tagelöhner seien. Die Zahl der Leiharbeiter habe sich seit 1996 auf fast eine Million Beschäftigte mehr als verfünffacht. Immer mehr Menschen müssten im Niedriglohnsektor arbeiten. Jeder vierte deutsche Erwerbstätige - vornehmlich Taxifahrer, Friseure, Reinigungskräfte oder Gastronomieangestellte - verdiene weniger als 9,54 Euro.

Dazu komme, dass das Rentenniveau sinke und älteren Menschen die Lebensgrundlage genommen werde - laut Richrath "ein Indiz dafür, dass unsere Gesellschaft immer mehr auseinander driftet". Viele hätten wohl vergessen, dass der Wohlstand in Deutschland "auch auf den Erfolgen der Arbeiterbewegung und einer langen Tradition der Sozialpolitik aufgebaut ist". Es werde Zeit, das wiederzuentdecken, appellierte der Oberbürgermeister.

(gkf)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort