Leverkusen Muscheln, Heilige und andere Fundstücke

Leverkusen · Der Rhein trägt Tag für Tag neben einigem Unrat und manchmal unangenehmen Düftchen auch kleine Schätze an den Leverkusener Uferstrand. Früher bisweilen auch fromme Gestalten.

 Zwischen den vielen Uferkieseln finden sich wunderbare Flitschesteine.

Zwischen den vielen Uferkieseln finden sich wunderbare Flitschesteine.

Foto: Stefan Stegemann

Was der Kampfmittelräumdienst tut, weiß Julius Busch schon seit Anfang der 1960er Jahre. Damals war der Hitdorfer sieben Jahre alt und hat von den Männern mit dem gefährlichen Beruf Besuch bekommen. Der kleine Julius hatte an der Hitdorfer Kirche gespielt und unweit drei wunderbare Kugeln entdeckt. Schön rund. Der Knabe nahm die Fundstücke mit nach Hause, legte sie sorgfältig in seine Spielzeugkiste in der Küche neben den Schuhen und war mächtig stolz. Bis sein Vater nach Hause kam und erkannte: Die hübschen Kugeln sind drei Granaten. Was auf den kuriosen Fund folgte: ein Donnerwetter und eben der Besuch der Kampfmittelräumer.

Wenn Julius Busch die Geschichte heute erzählt, muss er schmunzeln. Bei der Erinnerung an andere Funde zieht er die Nase kraus. Gestern erst wieder, "bei dieser komischen Wetterlage", kroch dem 64-Jährigen ein Lüftchen in die Nase. Das geruchliche Fundstück vom Rhein kennt er. Immer wenn der Wind von Westen weht, trägt er heran, was die Lastkähne auf dem Fluss ausstoßen: den Geruch von schwerem Diesel, erzählt Busch.

 ( Nicht schillernd bunt, aber häufig noch ganz: Muscheln vom Hitdorfer Rheinstrand.

( Nicht schillernd bunt, aber häufig noch ganz: Muscheln vom Hitdorfer Rheinstrand.

Foto: Stefan Stegemann

Das ist nicht das Einzige, was der Rheinstrand in Leverkusen zu bieten hat. Wer etwa ab dem Neulandpark oder der Wupperschiffsbrücke am Strom entlangwandert, wird zum Sammler. Von Eindrücken freilich: Da sind die viel diskutierte A1-Brücke, die Schlote des Chemparks links (Dormagen) und rechts (Leverkusen) des Rheins, die Segelboote, die Kanufahrer, die für einen kulinarischen Zwischenstopp an der Wupperschiffsbrücke anlegen, die alte Wehrkirche St. Aldegundis in Rheindorf, die Reihe mächtiger Bäume entlang des Weges zwischen Rheindorf und Hitdorf...

Zwischendurch fällt der Blick immer wieder zu Boden. Ein alter Kinderhandschuh liegt auf den Kieseln des Rheinstrands, eine zerfledderte Plastiktüte glitzert in der Sonne, die Überreste einer Getränkedose haben sich tief zwischen den Steinen eingegraben. Ein Haargummi, ein bunt schillerndes Kinderarmband, das den Weg zurück ins Mädchenzimmer vielleicht lieber angetreten wäre, als nahe der Rheinwellen zu vereinsamen. Und immer, immer wieder Muscheln.

Freilich, violett-lila-blau, zartrosa oder von sandigem Braun, wie sie am Sommerurlaubsstrand in Holland aus der Nordsee zu Tausenden angespült werden oder vom Mittelmeer in Spanien, Frankreich oder Italien sind die Rheinmuscheln nicht. Tausende aber bleiben auch am Hitdorfer Flussstrand zurück, wenn der Vater Rhein sich nach hohem Wasserstand wieder in sein Bett zurückzieht oder die dicken Wellen von Frachtkähnen das Flussleben ordentlich aufwirbeln. Braun sind sie oder weiß, weil die oberste Schicht schon abgestoßen ist.

Und: Anders als die Mosaikteilchen, zu denen die ewig gleitenden Meereswellen die Muscheln an den Weltstränden zermalmen, sind die Rheinmuschen oft noch ganz. Zwei Hälften, die miteinander verbunden sind zu einer zerbrechlichen Miniaturschatzkiste. Gleich daneben herrlich flache Steine, mit denen vermutlich auch der kleine Julius einst übte, wie man sie so flitschen lässt, dass sie mehrfach aufs Wasser aufschlagen. In dieser Mikrolandschaft aus Muscheln, Sand und Steinen ragen immer wieder bizarre, kleine und große Astformationen hervor. Treibholz.

"Die Kinder von der Kita Rheinpiraten hier auf dem Hof", erzählt Julius Busch, "unternehmen öfter Spaziergänge zum Rhein, holen Treibholz. Daraus basteln sie mit der Kita-Leitung Figuren." Anfang nächster Woche übernehmen die Rheinpiraten die Patenschaft für ein Stückchen städtisches Grün an der Wiesenstraße in direkter Rheinnähe. Dort wollen sie Wildblumensamen aussäen.

Auch andere Rheinspaziergänger bücken sich öfter - für Steine, für Muscheln, für Holz. Heute. Vor ein paar hundert Jahren wollten sich die Hitdorfer nicht so gerne bücken für ein ganz besonderes Stück Holz. 1740 soll die Statue des heiligen Antonius an die Fischerdorfgestade gespült worden sein. Die Hitdorfer, so sagt die Legende, haben ihn erstmal wieder dem Rhein übergeben. Der schwemmte den Heiligen aber erneut ans Ufer. Da bauten die Hitdorfer ihm ein Kapellchen, das 1829 erstmals erwähnt wurde und heute am Heerweg oberhalb des Ufers steht. Die drei Granaten von Julius Busch sind also nicht die einzigen ungewöhnlichen Fundstücke am und nah beim Rhein.

(RP)
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