Leverkusen Mozart im Orient

Leverkusen · Mit einer ganz besonderen "Entführung aus dem Serail" tauchte das Publikum sinnlich ein in die geheimnisvolle Welt des Orients.

Am Anfang wird erst einmal Atmosphäre geschaffen. Passend zum prachtvollen Bühnenbild mit barocken Wölkchen am Himmel, sanft wogenden Wellen, angedeuteter Blumenpracht und morgenländischer Architektur signalisieren fremde Instrumentenklänge: Wir befinden uns im Orient. Noch bevor sich der rote Vorhang zur Ouvertüre zu Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail" wieder schließt, soll das Publikum von Bayer Kultur sinnlich eintauchen in eine ferne und geheimnisvolle Welt mit einem Hauch von "1001 Nacht".

Das Konzept des Dirigenten Werner Ehrhardt, nämlich eine deutsche Komposition der Klassik optisch und akustisch an den fernen Spielort zu versetzten, greift von Anfang an. Mitten in der originalen Mozart-Ouvertüre übernehmen erneut die Mitglieder des Pera-Ensembles mit ihrer traditionell türkischen Musik, geben dann wieder zurück an die abendländischen Kollegen von "l'arte del mondo" mit der Mozart-Partitur auf den Pulten. Irgendwann sind die beiden unterschiedlichen Musikstile so verwoben, dass die Zuhörer gar nicht mehr so sicher sind.

Eigentlich ist diese grenzüberschreitende Version, die im Auftrag des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt und von Bayer Kultur realisiert wurde, nur eine logische Fortsetzung dessen, was Mozart begann. Türkische Klänge waren zur Entstehungszeit in Mode, und der Komponist holte bereits große Trommel, Becken, Triangel und die hohe, schrille Piccoloflöte neu ins klassische Orchester, um die lärmende Janitscharenmusik zu imitieren, mit der die Leibgarde die Ankunft des Sultans ankündigt.

Entsprechend funktioniert auch die sinnliche Steigerung, von der das Leverkusener Publikum durchweg begeistert war. Nicht zuletzt wegen der technischen Perfektion und der durchweg spürbaren Spielfreude dieses kleinen aber feinen Orchesters, das keine geschäftsmäßige Routine kennt und alte Musik immer wieder neu zum Leben erweckt. Immer bemüht um das Ursprüngliche, um historische Glaubwürdigkeit. Nach diesem Prinzip arbeitet auch der feine Chor von "l'arte del mondo".

Außerdem waren sämtliche Gesangsrollen in diesem Sinne besetzt. Wundervolle Stimmen, kräftig und sensibel zugleich, wendig und wandlungsfähig im Ausdruck. Stephanie Elliott sang eine makellose und anmutige Konstanze. Präsent und mit Spielwitz gab Maria Klier das Blondchen. Ebenso Martin Koch als männliches Pendant Pedrillo. Charme und eine angemessene Portion Schmelz kennzeichneten den Tenor von Roberto Ortiz, in der Helden-Liebhaber-Roll des Belmonte. Voll, tief, rund und manchmal brummig muss Wächter Osmin über das Reich seines Sultans Bassa Selim wachen. Das alles verband Rúni Brattaberg mit stimmlicher Beweglichkeit. Eine erhabene, majestätische Figur machte Olaf Haye als Bassa Selim. Ein Rundum-Genuss jedenfalls, nicht nur für eingefleischte Mozart-Fans.

Das szenische Konzept von Igor Folwill griff. Er führte nicht nur Regie, sondern zeichnete auch für das Bühnenbild verantwortlich. Eine Interpretation, die sich so sehr der Entstehungsgeschichte und den Hörgewohnheiten der Zeit verpflichtet fühlt, hätte schwerlich eine moderne oder gar politisierende Inszenierung vertragen. Folwill entschied sich dagegen auch optisch für die historische Aufführungspraxis. Er errichtete eine barocke und einigermaßen starre Theaterkulisse. Suchte sogar nach Plänen für eine historische Wellenmaschine, die Techniker des Erholungshauses nachbauten und mit einer Kurbel betätigten, um Wasserbewegung zu suggerieren.

(mkl)
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