Leverkusen Mit dem scharfen Skalpell gezeichnet

Leverkusen · Bayer Kultur eröffnet morgen eine Ausstellung mit Skulpturen und Bildkörpern der Künstlerin Georgia Russell. Wir blicken die Werke der jungen Schottin.

 Filigrane Kunst: Dafür bemalte Georgia Russell zwei Leinwände, die sie zerschnitt und mit Abstand hintereinander fixierte.

Filigrane Kunst: Dafür bemalte Georgia Russell zwei Leinwände, die sie zerschnitt und mit Abstand hintereinander fixierte.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Die einen sehen sowas wie einen Fetisch darin, für andere ist es eine Art Büste oder Ständer mit einem historischen Gewand. Tatsächlich haben die Skulpturen mit dem Titel "Belief" von beidem etwas. Nicht zufällig, denn es sind verschiedene Lesarten, die das Ausgangsmaterial vorgibt - wie immer bei Georgia Russell. In diesem Fall handelt es sich um alte Familienbibeln aus der schottischen Heimat der jungen Künstlerin, die mit ihren außergewöhnlichen Papierarbeiten gerade einen Senkrechtstart hingelegt hat.

Für zwei Monate sind Arbeiten aus den vergangenen fünf Jahren auf zwei Etagen des Erholungshauses zu sehen, danach wandert die Schau ins Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern zur ersten deutschen Museumsausstellung der Künstlerin, die nach dem Studium am Aberdeen College und am Londoner Royal College of Art nach Paris übersiedelte und heute in Méru, Frankreich, lebt.

Ohne Sprachkenntnisse sei sie in Paris angekommen, erzählt Georgia Russell, was wohl der Auslöser für die ersten Experimente von "Zeichnung mit dem Messer" war. Antiquarische Bücher, die sie nicht lesen konnte, ritzte und zerschnitt sie Seite für Seite mit dem Skalpell und rollte die Papierfransen nach außen, bis sich dreidimensionale Figuren bildeten. Wie eine afrikanische Maske erscheint nun das Buch, das sich bei näherem Hinsehen als Partitur von Meyerbeers Oper "L' Africain" entpuppt. Der Buchrücken blieb noch original erhalten.

Aus einem Wörterbuch formte Russel auf ähnliche Weise ein kleines Nest als Zeichen für die heimatliche Geborgenheit in der Fremde. Vor fünf Jahren begann sie, zwei identische großformatige Fotoabzüge von Landschaften mit dem Messer zu bearbeiten und diese hintereinander in Glaskästen anzuordnen. Die beiden filigran zerschnittenen Oberflächen verschmelzen zu einem neuen und plastischen Bild, das sich aber mit jeder Bewegung des Betrachters verändert. Diesem Prinzip blieb Georgia Russell bis heute treu, doch probierte sie immer wieder neue Materialien.

Statt schwarz-weißer oder monochromer Abzüge bearbeitete sie zunehmend farbige, teils sogar von beiden Seiten mit Acrylfarbe übermalt, so dass verdrehte Papierstreifen weitere Nuancen ins Bild bringen. 70 Arbeiten sind bis 19. Juni im Erholungshaus zu sehen, fast alle in schützende Plexiglaskästen gespannt. Sie stammen größtenteils von privaten Leihgebern, denn die Künstlerin hat selber kaum etwas im Atelier. Die Arbeiten werden ihr direkt unter dem Skalpell weggekauft. Vertreten wird sie durch die Kölner Galerie Karsten Greve.

Das neuste Werk ist speziell für das Erholungshaus entstanden, ungerahmt und etwa drei Meter breit. In diesem Fall bemalte sie zwei Leinwände, die sie zerschnitt und mit Abstand hintereinander fixierte. Georgia Russell ist anwesend bei der Eröffnung ihrer Ausstellung "Zeichnen mit dem Messer" morgen, 10. April, um 11 Uhr im Erholungshaus, Nobelstr. 37.

Öffnungszeiten (bis 19. Juni): samstags, sonn- und feiertags von 11 bis 17 Uhr sowie eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn. Öffentliche Führungen jeden 1. und 3. Sonntag im Monat um 11.15 Uhr, Sonderführungen nach Vereinbarung, Tel. 0214 3041283.

(mkl)
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