Leverkusen Mann-Frau-Orchester der Extraklasse

Leverkusen · So seriös wie Rebecca Carrington die Festhallen-Bühne betrat und die ersten Takte auf ihrem Cello spielte, mochte man annehmen, in einem Kammerkonzert mit klassischem Programm gelandet zu sein. Die Illusion hielt kaum zwei Minuten, denn mit dem Erscheinen von Partner Colin Brown begann das, was die Beiden am besten können: Kabarett mit wenigstens 80 Prozent Musikanteil und köstlichem britischen Humor.

KulturStadtLev hatte sie mit ihrem aktuellen Programm"Dream a little dream" eingeladen. Die Briten, seit acht Jahren Wahlberliner, treffen den Ton, sowohl wenn es um die sichere Platzierung von Pointen geht, als auch bei ihren musikalischen Ausflügen in die Weiten von Pop, Beat, Jazz und Klassik. Genre-Grenzen ignorieren sie geflissentlich, denn irgendwie ist ja doch alles eins. Dazu traten sie in Opladen den Beweis an, mit Johann Sebastian Bach. Aus den ersten Akkorden seines Präludiums aus dem Wohltemperierten Klavier scheint sich die ganze U-Musikbranche bedient zu haben. Carrington wiederholte auf dem E-Piano die Arpeggien unaufhörlich und intonierte "Hey Jude...".

Das passte ebenso wie die übrigen Titel von Beatles und Co., die das Paar auf diese Harmonien probierte. Im Stilmix ging es weiter bei Kindheitserlebnissen, von denen das Paar im Wechsel erzählte. Klingende Erinnerungen an den Onkel aus den US-Südstaaten, dem Colin Brown die tiefsten Lagen seiner vollen Bassstimme verlieh. Auf Kommando kann er dieser auch jenes charakteristische Schnarren zufügen, die aus ihm einen zweiten Louis Armstrong macht, ein riesiges Vergnügen. Seine Partnerin verlängert dazu den Dorn ihres Cellos, um es als Kontrabass zu benutzen - zwischenzeitlich hatte sie es wie eine Gitarre gebraucht - und imitiert die passende Trompetenstimme. Schon bilden die Zwei ein kleines Orchester, genau genommen sind sie immer zu dritt, denn das Streichinstrument hat einen extrem wichtigen Anteil an diesem intelligenten Bühnenspaß, den Brown szenisch dominiert, während seine Partnerin die Fachfrau für Geräusche aller Art ist. Auf diese Weise zappen sich die Beiden durch die Highlights des Britpops oder durch James-Bond-Filme und lassen Madonna und Michael Jackson gegeneinander antreten.

In gleicher Weise behandeln sie die ernste Branche, selbstverständlich vollkommen unernst. In drei Minuten servieren sie eine Zusammenfassung der Oper "Carmen" inklusive der wichtigsten Arien und einer vereinfachten Inhaltsangabe.

Das Publikum war aus dem Häuschen, als der dunkelhäutige Brown zum zweiten Teil mit Dudelsack und Lederhose aufmarschierte und die deutsche Nationalhymne spielte. Es folgten charmant-witzige Lieder über Willkommenskultur und die Erfahrungen der Briten mit Ordnung, Pünktlichkeit, Mülltrennung und Ämtern. Reichlich Stoff für eigene Lieder wie "Für mich soll's deutsche Regeln regnen" oder - nach tragischer Selbsterfahrung - der "Steuerberater-Blues"

(mkl)
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