Leverkusen "Manege frei!" auf dem Quettinger Schützenplatz

Leverkusen · Es hätte alles so schön sein können an diesem Nachmittag. Es duftet nach Popcorn und Sägemehl. Dass da Tiere hinter dem Vorhang grasen und auf ihren großen Auftritt warten, kann man auch riechen, noch bevor die Manege frei ist. Und die Höhner hört man über nostalgisch knackende, rauschende Musikboxen: "Schon als kleiner Junge hatte ich diesen Traum, Zirkusakrobat zu werden oder Clown", säuselt Henning Krautmacher. "Von Stadt zu Stadt zu fahren, unterwegs im bunten Wagen."

Unverfälscht, fast altmodisch anmutend: Der Zirkus Altano bietet kein Spektakel, sondern versteht sich als Mitmachzirkus, der das Publikum einbindet.

Unverfälscht, fast altmodisch anmutend: Der Zirkus Altano bietet kein Spektakel, sondern versteht sich als Mitmachzirkus, der das Publikum einbindet.

Foto: UM

Tatsächlich steht er da, ein kleiner Clown, und eröffnet die Show. Der elfjährige Olaf Schickler weiß schon genau, wie man Leute unterhalten kann. Doch halb leere Ränge im Zirkuszelt verraten, dass derzeit ein schwerer Schleier über der Zirkusrealität liegt.

Auf dem Schützenplatz in Quettingen hat dieser Tage der "Zirkus Altano" sein Zelt aufgeschlagen. Zur Premiere bot er eine Familienvorstellung. Die Tribüne war allerdings nur spärlich besetzt. "Jemand hat die Plakate überklebt", berichtet die Schaustellerfamilie. Unbekannte hatten das Gerücht einer Absage aller Shows "wegen Tierquälerei" im Leverkusener Stadtgebiet verbreitet. Denn das Thema ist in aller Munde. Dabei sind die Stars in der Manege des Zirkus Altano keine wilden Tiere. Zirkusdirektor Karl Neigert kann das nicht nachvollziehen. "Zirkus ohne Tiere, das ist kein Zirkus", sagt er.

Neigert weiß, wovon er spricht. In sechster Generation leitet er den wandernden Großzirkus mittlerweile. Es ist ein Traditionsgeschäft - und eine Herzensangelegenheit. "Wir sind ein Zirkus zum Anfassen, mit kleinen Tieren." Mit seinem zehnköpfigen Team kümmert sich der Schausteller um das Wohl der Tiere.

Ein Spektakel war der Auftakt nicht. Aber dafür hielt er alles, was er versprach: "Altano" ist ein Mitmachzirkus, eine Show für Klein und Groß. Und Artisten, die am Ende alles gegeben haben. Als Justine Schickler loslegt, muss man zweimal hinschauen, um die Hula-Hoop-Reifen zu zählen. Tatsächlich sind es mehr als 30 Reifen, die da gleichzeitig um ihre Hüften schwingen. Und dann kommt Steve. Als menschliche Fahne schwebt er in der warmen Zeltluft. Drei, vier, fünf blaue Stühle stapelt er und klettert nicht nur darauf herum, sondern wagt sogar den Handstand darauf.

Mit großen Augen verfolgen die Kinder im Publikum das Treiben. Auch die Eltern scheinen ihn zu genießen. Diesen unverfälschten, fast altmodisch anmutenden Zirkus. "Es muss nicht immer Action und Spektakel sein", sagt das Ehepaar. Sie sitzen im Haldunkel unter den Sternen im Zeltdach. Der Heizofen wärmt, und sie haben beste Sicht auf das nur wenige Meter entfernte Treiben in der Manege. Zwei Stunden geht das so. Und immer wieder dürfen sie selbst mitmachen, die kleinen Tiere streicheln und Teil der Show werden.

Einige weitere Vorstellungen wird es auf dem Schützenplatz in Quettingen noch geben, in denen auch Zauberei und Seiltanz geboten wird. Die Schaustellerfamilie Neigert lebt ihren Zirkustraum. Die künftige Wertschätzung des Publikums wird entscheidend dafür sein, ob sie aufwachen müssen oder das Erwachsensein einmal für zwei Stunden vor dem Zirkuszelt warten und der Phantasie weichen kann.

(ball)
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