Blindgänger im Industriegebiet Leverkusener Firma sitzt auf scharfen Bomben

Auf dem Gelände einer Leverkusener Firma liegen Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Unternehmen erfuhr davon rein zufällig. "Die spielen hier mit dem Leben meiner Mitarbeiter", sagt der Geschäftsführer.

 Hartmut Frenzel zeigt die Bombenverdachtspunkte auf seinem Firmengelände. Zwei sind entschärft. Zwei nicht entschärfte Bomben befinden sich unter seinen Hallen, eine in der Mitte der Halle hinter ihm. Foto: Uwe Miserius

Hartmut Frenzel zeigt die Bombenverdachtspunkte auf seinem Firmengelände. Zwei sind entschärft. Zwei nicht entschärfte Bomben befinden sich unter seinen Hallen, eine in der Mitte der Halle hinter ihm. Foto: Uwe Miserius

Foto: hohl (Archiv)

In den Betonboden der Halle ist eine kleine Stahlplatte eingelassen. "Hier wollten wir in Kürze einen Stützpfeiler setzen, um eine zusätzliche Ebene einzuziehen", erklärt Hartmut Frenzel, Geschäftsführer der Firma Stange im Stadtteil Fixheide, die auf Lärmschutz spezialisiert ist. Doch mit dem Ausbau wird es erst einmal nichts. Denn sechs bis sieben Meter unter der Stahlplatte liegt wohl eine noch nicht entschärfte Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. "Ich habe das Bild mit den Bomben-Verdachtspunkten am 19. Juli von der Stadt bekommen", berichtet der Bauingenieur. Fünf Punkte sind für den Bereich der Dieselstraße 4 in der Fixheide markiert. Zwei grüne und drei rote. "Das bedeutet, dass drei Bomben noch nicht entschärft sind. Und auf zweien davon haben wir unsere Hallen gebaut. Wir hatten offensichtlich Glück gehabt, das bislang nichts passiert ist."

"Ordnungsamt nennt uns die Koordinaten nicht"

Dabei hat die Stadt das Unternehmen nicht von sich aus informiert. "Kurz vor Weihnachten war bei einem Betrieb in der Nachbarschaft bei Baggerarbeiten eine Bombe gefunden worden", erzählt der 73-Jährige. "Die Firmen in der Umgebung wurden für die Entschärfung alle evakuiert. Da haben wir uns gefragt, ob bei uns nicht auch noch Bomben liegen." Die Bestätigung kam einige Monate später. Und nun will Frenzel die Gefahr im Boden so schnell wie möglich beseitigen lassen. "Das geht aber nicht, weil das Ordnungsamt uns nicht die genauen Koordinaten nennt", sagt der Geschäftsführer. "Dabei arbeiten wir hier jetzt alle nur noch mit einem mulmigen Gefühl weiter." Bei der Stadt habe man ihm zwar gesagt, er solle unbesorgt sein. Die Bomben lägen schließlich schon 70 Jahre in der Erde. "Aber ein Zünder kann ja rosten", sagt der Ingenieur.

Für die Beseitigung der Bomben ist der Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Düsseldorf zuständig. "Der kommt aber erst, wenn die genaue Lage einer Bombe bestimmt ist." Zu diesem Zweck müsse ein Vermesser die Vorarbeit leisten. "Dazu braucht der unbedingt die Koordinaten vom Ordnungsamt , damit er bei den Probebohrungen nicht die Bombe trifft."

Gefahr durch Rüttelanlage auf dem Nachbargrundstück

Frenzel fühlt sich vom Ordnungsamt im Stich gelassen. "Die spielen hier mit dem Leben meiner Mitarbeiter", sagt er. Denn Fachleute hätten ihm gesagt, dass er nun tunlichst Erdbewegungen und Erschütterungen vermeiden sollte. "Aber direkt auf dem Nachbargrundstück befindet sich eine von der Stadt genehmigte Rüttelanlage, weil dort Steine zerkleinert werden." Und die Verwaltung habe bereits vor seiner jüngsten Erweiterung vor sechs Jahren die entsprechenden Luftbilder gehabt. "Die hätten mich vor den Bauarbeiten informieren müssen", findet er. Darüber hinaus sei die gesamte Gegend ein Erdbebengebiet. "Aus diesem Grund mussten wir die Fundamente der einzelnen Hallen verbinden. Das ist normalerweise nicht nötig."

Frenzel versteht sowieso nicht, dass auf dem Gelände noch nicht entschärfte Bomben liegen. "Ich habe das Grundstück 1987 von der Stadt als altlastenfrei gekauft mit der Maßgabe, dort innerhalb von zwei Jahren einen Industriebetrieb zu bauen. Da muss der Boden doch vorher sondiert worden sein."

Schließlich befinde sich das Industriegebiet in direkter Nähe des ehemaligen Bahn-Ausbesserungswerks, einem bevorzugten Abwurfziel der Alliierten. Er habe auch seine Nachbarn über die Bomben auf ihren Grundstücken informiert. "Die sind ebenfalls aus allen Wolken gefallen."

Anwalt soll Auskunft erwirken

Da bereits Rechtsanwälte eingeschaltet sind, will sich die Stadt zum konkreten Fall nicht äußern, sondern nur allgemein. "Für dieses Gebiet liegt der Stadt Leverkusen erst seit 2009 die entsprechende Luftbildauswertungskarte vor", teilt Stadtsprecherin Heike Fritsch mit. "Eine systematische Überprüfung von Kampfmittel-Verdachtspunkten erfolgt heute im Rahmen von Bebauungs-Planverfahren." Der Nachweis auf Kampfmittelfreiheit bei privaten Bauvorhaben obliege dem Bauherren oder seinem Architekten. "Bei bestehender Bebauung hat die Ordnungsbehörde keine gesetzliche Handhabe, den Kampfmittelräumdienst zu beauftragen." Erst, wenn ein konkreter Bauantrag vorliege, könnten von der Stadt Angaben über Koordinaten gemacht werden.

Der erste Bebauungsplan für diesen Bereich sei der Baugebietsplan für Opladen von 1973 gewesen, im Bereich der Fixheide habe er ein Industriegebiet festgesetzt, so Fritsch. "Erst in den 80er Jahren haben die Bezirksregierungen begonnen, auf Anfrage der Städte und Gemeinden für konkrete Baugebiete Kampfmittelbelastungskarten auf der Grundlage des damaligen Kenntnistandes zur Verfügung zu stellen." Altlastenfreiheit schließe im Übrigen keine Kampfmittelfreiheit ein.

Frenzel hofft nun, über seinen Anwalt so schnell wie möglich die Koordinaten der Bomben zu erfahren.

(sug)
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