Sperren helfen nicht Anti-Terror-Steine in Leverkusen fallen im Test durch

Leverkusen · In Leverkusen sollen Findlinge Bürger vor Terrorangriffen mit Fahrzeugen schützen. Dazu taugen sie aber nicht. Im Ernstfall könnten die Steine zu gefährlichen Geschossen werden, sagt die Prüfgesellschaft Dekra.

 Zum Beispiel in Opladen liegen Findlinge an den Eingängen zur Fußgängerzone.

Zum Beispiel in Opladen liegen Findlinge an den Eingängen zur Fußgängerzone.

Foto: uwe miserius

April 2017: zum ersten Mal trifft in Deutschland ein schwerer Lastwagen in einem Crashtest auf massive Betonsperren. Ein Team der deutschen Prüfgesellschaft Dekra will in einem Versuch herausfinden, ob die von vielen Städten nach den Anschlägen von Nizza und Berlin angeschafften mobilen Anti-Terror-Steine aus 2,4 Tonnen schwerem Beton einen Lkw wirklich ausbremsen können. Es sind immerhin die schwersten Barrieren dieser Art, die es in Deutschland gibt. Ein paar Minuten später ist die Ernüchterung groß: Mit nur 50 Stundenkilometern fährt der Laster auf die Steine zu - und schiebt sie scheinbar mühelos beiseite, während er noch etwa 50 Meter weiterrutscht. Attentäter hätte das nicht entscheidend gehindert.

Projektleiter dieses Versuchs ist Marcus Gärtner. Für unsere Redaktion hat sich der Dekra-Experte nun die Findlings-Steine angesehen, die die Weihnachtsmärkte in Wiesdorf und Opladen vor Lkw-Anschlägen schützen sollen. Sein Kommentar überrascht nicht im Geringsten: "Auch diese Steine sind als Barrieren für einen schweren Lkw völlig ungeeignet."

Steine könnten zu Geschossen werden

Unter dem Eindruck des Terroranschlags von Nizza, bei dem der Attentäter einen Lastwagen mit relativ hohem Tempo durch die Menschenmenge jagte, hatte die Polizei Köln die Stadt Leverkusen im Sommer vergangenen Jahres aufgefordert, die Fußgängerzonen an gefährlich erscheinenden Stellen zu sichern. In Opladen ist das beispielsweise die Zufahrt von der Kölner Straße in Höhe Aloysius-Kapelle. Die benötigten Findlinge nahm die Stadt aus ihrem Bestand. Der Transport lag bei rund 500 Euro.

Nimmt man das Urteil des Experten, hätte Leverkusen die Findlinge allerdings auch genauso gut weglassen können. Mehr noch: Marcus Gärtner macht darauf aufmerksam, dass je nach Aufprallwinkel und Geschwindigkeit eines Lastwagens die Steine wie Geschosse durch die Gegend fliegen könnten. Anstatt Schutz zu bieten, würden sie dann zu einer zusätzlichen Gefahr.

Was aber bietet wirklich Schutz vor Lkw-Attentaten? Marcus Gärtner muss nicht lange überlegen: "Versenkbare Poller gibt es mittlerweile in einer Qualität, die auch Belastungen durch einen Lkw-Aufprall standhält", sagt der Crashtest-Experte: Sie seien getestet, erfüllten die Norm - aber kosteten halt auch eine Kleinigkeit.

Poller waren Stadt zu teuer

Leverkusen hatte wegen des Geldes Abstand von den Pollen genommen. Rund 40.000 Euro hätte man ansonsten überweisen müssen, hieß es damals aus dem Rathaus. Dazu kämen die "nicht unerheblichen" Kosten für die Montage im Boden, das Verlegen von Leitungen sowie die Wartungs- und Stromkosten. So verwundert es nicht, dass nach Auskunft der Stadt auch aktuell nicht geplant ist, die Findlinge durch solche Sicherheitspoller zu ersetzen.

Für Dekra-Fachmann Gärtner ist das Sparen am falschen Ende: "Ja, die Anschaffungskosten sind recht hoch", räumt er ein, "aber danach hat man auf Jahre hinaus nur noch die Stromkosten für das Rauf- und Runterfahren zu begleichen". Und das Sicherheits-Argument lasse sich ja nun auch nicht von der Hand weisen. Findlinge wie die in Leverkusen verwendeten, seien jedenfalls nicht geeignet, die Marktbesucher vor einem Lkw zu schützen, sagt Gärtner.

Quergestellte Laster, wie sie in Leichlingen zum Schutz des Stadtfestes eingesetzt wurden, bringen nach Auskunft des Experten da schon mehr, weil sie deutlich schwerer wegzuschieben sind. Dauerlösung sind sie aber auch nicht.

(RP)
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