Leverkusen KlassikSonntag gibt musikalischen Gedanken Leben

Leverkusen · Sie scherzt, lässt die Töne wie Kobolde durch den Raum hüpfen, schnellt hinterher. Rebekka Hartmann streicht nicht einfach ihre Geige, sie spielt! Jedem einzelnen musikalischen Gedanken, und sei er noch so kurz, verhilft sie zum Eigenleben, öffnet den Blick auf eine Bühne voller unterschiedlicher Charaktere. Und davon hat Wolfgang Amadeus Mozart reichlich in sein G-Dur-Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 gepackt. Das haben die Besucher des vierten und letzten KlassikSonntages dieser Saison möglicherweise zum ersten Mal so gehört. Das Zusammentreffen der mehrfach ausgezeichneten Violinistin mit der Westdeutschen Sinfonia Leverkusen erwies sich als ausgesprochener Glücksfall. Verfolgt doch Dirk Joeres mit seinem besonderen Ensemble genau dieselben Ziele wie Rebekka Hartmann. Beide verstehen Musik niemals als technisch versiertes Abspielen von Notenmaterial, sondern als Kiste voller Geheimnisse, die entdeckt und dem Zuhörer sorgsam serviert werden wollen.

Bei Mozarts Solokonzert ist die Kiste prall gefüllt mit musikalischen Gedanken, zauberhaften Melodien und durchaus verrückten Ideen, die diese Solistin mit größtem Vergnügen und amüsiert blitzenden Augen ins Rennen schickt, damit sie von einem inspirierten Orchester in gleicher Weise weiterverfolgt werden. Ihre Solokadenzen waren so spannend, dass es so mucksmäuschenstill im Saal wurde, ein einzelner Huster wirkte da wie ein Erdbeben.

Das Publikum war nach diesem besonderen Erlebnis so aus dem Häuschen, dass es die Solistin anschließend zu zwei Zugaben nötigte, eine rasante Verfolgungsjagd mit dem Konzertmeister und eine ausdrucksvolle. Das übrige Programm an diesem KlassikSonntag war nicht weniger spannend. Wunderschön endete der Abend mit der Unvollendeten (Sinfonie Nr. 7 h-moll) von Franz Schubert, die Joeres in beinahe unhörbarem Pianissimo der Kontrabässe starten ließ.

Das ließ Platz nach oben auf der Dynamik-Skala, die in den beiden Sätzen komplett genutzt wurde. Glücklicherweise blieb das Spiel auch noch an den exponierten Stellen transparent, nichts wurde durch unkontrollierte Lautstärke zugeschüttet. Darin liegt eben die besondere Stärke dieses Ensembles, das sich gerne abseits vom normalen Konzertalltag bewegt und durchaus gängigem Repertoire zu neuer Aufmerksamkeit verhilft. Holzbläser und Streicher lieferten sich ein Festival der Melodik, jede Linie sehr achtsam und im großen Bogen entwickelt. Watteweicher Klang sorgte für himmlische Momente, akzentuierte Einsätze für Spannung. Himmlische Leichtigkeit verbreitete zu Beginn die Orchestersuite "Masques et Bergamasques" von Gabriel Fauré, mit geerdetem, vollen Sound startete das emotional ausgestaltete Intermezzo für Streichorchester Op. 8 von Franz Schreker im zweiten Teil.

In diesem Sinne geht es auch in der nächsten Saison bei KulturStadtLev weiter. Mit dem ersten KlassikSonntag startet am 25. September die Spielzeit 2016/17.

(mkl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort