Leverkusen Kindertheater zeigt starkes Stück im Forum

Leverkusen · Lisa mag nicht aufstehen. Tanzend versuchen drei Mitspieler, das schlaftrunkene Mädchen von seinem hohen Matratzenlager zu rollen - und auf den Weg zur Schule zu schicken. Aber warum sollte Lisa auch gerne aufstehen? Die Neunjährige muss ihr ganzes Leben selbst in die Hand nehmen und noch dafür sorgen, dass niemand auf ihre familiäre Situation aufmerksam wird. In ein Kinderheim will sie auf keinen Fall.

 Lisa wird in dem Stück von einem geheimnisvollen Freund gerettet.

Lisa wird in dem Stück von einem geheimnisvollen Freund gerettet.

Foto: Martin Möller

Dort würde sie garantiert landen, wenn man wüsste, dass sich ihre arbeitslosen Eltern völlig aufgegeben haben und lethargisch sowie alkoholisiert auf dem Sofa herumhängen. Auf dem Schulweg wird sie von abhängenden Jugendlichen gequält und in der Schule läuft es auch nicht besser. Niemand mag sie, vor allem nicht die Lehrerin, die Lisas überdurchschnittliche Intelligenz nicht bemerkt. Das Mädchen meldet sich lieber nicht und liest heimlich Bücher über Computer und Außerirdische. Sie träumt sich weg aus einer unerträglichen Wirklichkeit. Und dann trifft sie Walter, einen Außerirdischen, der einem Raumschiff entstiegen ist.

Grundschulkinder, etwa so alt wie Lisa, besuchten die beiden Forum-Vorstellungen des Theaterstücks "Mein ziemlich bester Freund Walter" von Sibylle Berg, das Andrea Kramer kindgerecht mit dem Consol Theater Gelsenkirchen inszenierte. Neben Leverkusener Schulen nutzten auch Klassen aus Monheim das Angebot von KulturStadtLev, das die großen Themen wie Freundschaft, Andersartigkeit, Ausgrenzung und Selbstaufgabe auf packende Weise für die Altersgruppe der Neun- bis Zwölfjährigen herunterbricht. Und zwar mit einer gehörigen Portion Fantasie, die noch beflügelt wird durch ein sparsames Bühnenbild mit vielen Schranktüren, hinter denen die Mitspieler ihre Rollen wechseln. Ob die Geschichte wirklich wahr ist, oder ob sich selbst Lisa den Besuch ihres neu gewonnenen Freundes Walter nur eingebildet hat, wird am Ende nicht beantwortet - und es ist auch unerheblich.

Wichtiger ist, dass er ihr Zuneigung und Aufmerksamkeit schenkte. Das hatte zur Folge, dass sie mit seiner Hilfe ihre Angst überwand, Strategien zur Selbstverteidigung lernte, ihre Mitarbeit in der Schule nicht länger verweigerte und sich nicht mehr völlig absonderte. Und irgendwie muss er, verborgen hinter einem Schrank, auch die entscheidenden Worte für Lisas Eltern gefunden haben. Die erwachen nämlich aus ihrem Dämmerschlaf, erledigen endlich wieder die Hausarbeit und sorgen für ihr Kind - ein erster Schritt also zurück in ein normales Leben. Mit mehrstimmigem Gesang und Tanzelementen schafft diese Inszenierung die Klammer zwischen Realität und Fantasie, so dass dort jedes Kind für sich Antworten finden kann. Das junge Publikum ließ sich jedenfalls davon gefangen nehmen, fühlte mit Lisa und tauchte völlig ein in ihre Welt.

(mkl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort